Monika Pieper zum Erhalt eines fairen und leistungsgerechten Schulsystems

Mittwoch, 1. Oktober 2014

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Für den Erhalt eines fairen und leistungsgerechten Schulsystems – Schließung von Gymnasien und Entwertung von Schulabschlüssen verhindern

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP

Drucksache 16/6908

Unser 1. Redner: Monika Pieper
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Protokoll der Rede von Monika Pieper

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer.  Für die Piratenfraktion spricht Frau Kollegin Pieper.

Monika Pieper (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Besucher! Zunächst möchte ich noch einmal darauf eingehen, worüber wir hier eigentlich sprechen  Herr Kaiser hatte es gerade schon angedeutet : Wir sprechen meines Wissens zum ersten Mal über ein Gutachten, das einem Verband in Auftrag gegeben wird. Die Tatsache, dass diesem Gutachten eine dermaßen hohe Bedeutung zugemessen wird, wird Herrn Dr. Rösner und den VBE sicher freuen. Ich hätte es aber wesentlich besser gefunden, wenn man mit Herrn Dr. Rösner im Ausschuss darüber diskutiert und gesprochen hätte, anstatt hier Reden darüber zu schwingen.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Als etwas anderes als Panikmache kann ich Ihr ständiges Gerede von der leistungslosen Schule nicht mehr bezeichnen. Immer wieder gibt es Anträge, die implizieren, dass das Gymnasium abgeschafft werden solle oder dass keine Leistung mehr an unseren Schulen erbracht werde. Man muss doch einmal zur Kenntnis nehmen, dass es in Nordrhein-Westfalen zentrale Prüfungen gibt, die für alle Schulen gelten. Insofern kann ich überhaupt nicht verstehen, was Sie damit meinen, wenn Sie sagen, dass es nicht die gleichen Leistungsanforderungen an allen Schulen gebe. Bei zentralen Prüfungen muss jeder Schüler die gleiche Leistung erbringen. Wenn man individuelle Förderung ernst meint, wenn man sich für bessere Bildungschancen einsetzen möchte, was Sie vorgeblich tun, dann muss doch unstrittig sein, dass es zunächsteinmal darum geht, dass viel zu viele Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen. Unsere größten Anstrengungen müssen daher der Verbesserung der Förderung dienen, um die Zahl der Abgänger ohne Abschluss erheblich zu mindern.

(Beifall von den PIRATEN)

Dass in diesem Zusammenhang Leistungsansprüche gesenkt werden müssten, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben, ist für mich nicht nachvollziehbar. Weder die zehn Forderungen des VBE noch das Gutachten von Herrn Dr. Rösner behandeln dieses Thema. Einen anderen Aspekt ignorieren Sie ebenfalls beständig: Die Leistungen, die die Schulen erbringen, sind unterschiedlich. Es ist eine große Leistung von Schulen, alle Schülerinnen und Schüler bei der Verwirklichung ihrer Bildungschancen angemessen zu unterstützen. Daher ist es kein Privileg, die Schulen des gemeinsamen Lernens besser zu unterstützen. Das entspricht gerade einmal der notwendigen Ausstattung, um diesem Bildungsauftrag nachzukommen.

Weiterhin befürchten Sie, dass Privatschulinitiativen in sozialistischer Manier der Garaus gemacht wird. Auch ich bin überzeugt, dass private Ersatzschulen gute Arbeit in NRW leisten. Denn sie ergänzen das Angebot der öffentlichen Schulen, und genau dafür sind sie da. Im Schulgesetz steht, sie ergänzen und bereichern das öffentliche Schulsystem. Dort steht nicht, sie ersetzen das öffentliche Schulsystem. Um es zu ergänzen, müssen wir zunächst das öffentliche Schulsystem aufrechterhalten und in der Fläche sichern. Darüber hinaus befürchten Sie die Aushebelung des Elternwillens. Legen wir dazu doch einmal Ihre Pressemitteilung von Freitag neben die des VBE. Darin haben Sie die große Keule geschwungen und geschrieben, man lege die Axt ans Gymnasium. Sie schreiben:

„Insbesondere dem ländlichen Raum sollen statt eines vielfältigen Schulangebots und Wahlmöglichkeiten für Eltern integrierte Schulformen als Einbahnstraße übergestülpt werden.“

Herr Beckmann dagegen sagt: „Der Elternwille nach wohnortnahen Schulen des längeren gemeinsamen Lernens muss beachtet werden.“ Dazu kann man nur sagen: Es haben wohl nicht alle Eltern die gleichen Wünsche. Deshalb ist es richtig  das ist bereits mehrfach gesagt worden , die interkommunale Schulentwicklung voranzutreiben. Das wird nicht ganz einfach sein. Wir wissen, dass Kommunen oft miteinander im Streit liegen und versuchen, für sich das Beste herauszuholen, aber das scheint mir der einzige Weg zu sein, um tatsächlich ein Angebot für alle Schüler vor Ort zu sichern. Ich verstehe diese Aktuelle Stunde nicht. Denn genau diese Aspekte, die das Gymnasium betreffen, wurden schon in ganz vielen Veranstaltungen zumindest andiskutiert, wie zum Beispiel gestern in der Bildungskonferenz.

Schule befindet sich im Wandel. Die Strukturen haben sich geändert. Schulen des längeren gemeinsamen Lernens etablieren sich. Die Anzahl der Haupt- und Realschulen sinkt. Ja, das ist so. Das hat zum einen mit dem sich wandelnden Wahlverhalten der Eltern zu tun, zum anderen aber auch mit der demografischen Entwicklung. Dazu gehören auch die Gymnasien. Gymnasien sind unbestritten ein wichtiger Teil unserer Schullandschaft. Gerade ist gesagt worden, dass eine Mehrzahl der Eltern diese Schulform wünscht. Das kann aber nicht heißen, dass sich das Gymnasium wie eine einsame Insel in unserer Schullandschaft bewegt. Vielmehr ist es ein Baustein eines gut abgestimmten Systems, und dazu gehören auch Änderungen und innovative Ideen für das Gymnasium.

Was sagt das Gutachten eigentlich im Hinblick auf das Gymnasium?  Darin wird unter anderem gefordert, dass ein Gymnasium in eine Gesamtschule umgewandelt werden könne, wenn es in der Kommune keine Schulangebote für alle Schüler gebe. Die erste Frage in diesem Zusammenhang ist doch: Wie viele Schulen kann das überhaupt betreffen? Das sind doch Einzelfälle. Es geht doch nicht darum, das Gymnasium in Gänze abzuschaffen. Im Gutachten werden sie ausgewiesen. Darin werden fünf Kommunen genannt. Die Frage, die Sie sich in diesem Zusammenhang auch stellen müssen, ist: Was ist denn die Alternative? Darauf müssen Sie auch Antworten geben. Sie sprechen in Ihrem Antrag von fair und leistungsgerecht. Ist es fair und leistungsgerecht, wenn ein Gymnasium in einer Kommune nur diejenigen Kinder aufnimmt, die es aufnehmen möchte, und der Rest sehen kann, wo er bleibt? Ist das fair und leistungsgerecht?

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Wir brauchen ein Schulangebot für alle Schüler. Das ist besonders im ländlichen Bereich ein Problem. Wenn wir das nicht schaffen, dann werden immer mehr junge Familien von dort wegziehen. Dann haben wir diesen Teufelskreis, dass es immer weniger Kinder und somit auch kein Schulangebot geben wird. Ich glaube, wir alle stehen in der Verantwortung, Lösungen zu finden, damit jeder Schüler in Wohnortnähe zur Schule gehen kann.

Insgesamt komme ich bezüglich des Gutachtens zu einem völlig anderen Ergebnis als die FDP-Fraktion. Tatsächlich nennt das Gutachten eine Reihe von Problemen, die wichtig sind und die wir lösen müssen. Abschulungen sind sicherlich ein Problem, und zwar nicht nur für den betroffenen Schüler, sondern vor allem auch für die aufnehmenden Schulen. Dass das Gymnasium am Ende der Sekundstufe I den mittleren Schulabschluss nicht vergeben kann, ist ein weiteres Problem. Der Gutachter und auch der VBE haben hierzu und zu anderen Punkten Vorschläge gemacht. Ich würde mir wünschen, dass wir, statt hier Reden zu schwingen, mit Herrn Dr. Rösner darüber diskutieren und gemeinsam an Lösungen arbeiten.  Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper.  Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Veröffentlicht unter Monika Pieper, Reden, Schule und Weiterbildung (A15)

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