Donnerstag, 15. Mai 2014
Top 7. Zukunft des Wohnens und der Wohnquartiere in Nordrhein-Westfalen Große Anfrage 9 der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Antwort der Landesregierung Drucksache 16/5609
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Wegner.
Olaf Wegner (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream und auf der Tribüne! Ist es nicht schön, dass die regierungstragenden Fraktionen ihrer eigenen Regierung rechtzeitig zu den anstehenden Wahlen großzügig Gelegenheit geben, sich und ihre Politik ins rechte Licht zu stellen? Ist es nicht schön, dass wir an den Erkenntnissen der Landesregierung teilhaben dürfen, weil offenbar der direkte Draht von SPD und Grünen zur eigenen Regierung nicht mehr funktioniert?
Mal ehrlich: Was will man im parlamentarischen Betrieb üblicherweise mit einer Anfrage erreichen, erst recht mit einer Großen Anfrage? Man will, dass die Landesregierung Farbe bekennt. Man will, dass die Landesregierung zu strittigen Punkten Stellung bezieht. Man will ein probates Mittel nutzen, um auf Lücken und Widersprüche in der Regierungspolitik hinzuweisen.
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wo steht das in der Geschäftsordnung? Weitere Zurufe)
Kurz: Das Mittel der Anfrage wird traditionell von den Oppositionsfraktionen genutzt, weil ihnen der direkte Draht zur Regierung fehlt.
(Jochen Ott [SPD]: Wir sind auch Parlamentarier!)
Warum also wählen SPD und Grüne dieses Mittel? Warum wählen sie es zu diesem Zeitpunkt? Warum wählen sie es bei diesem Thema? Ich nehme an, Sie ahnen es: nicht um die Regierung kritisch zu befragen, sondern um sie zu feiern und sich selbst gleich mit. Sie ahnen: Es ist Wahlkampf. Da geht so was.
Sei‘s drum! Nehmen wir die fleißige Zusammenstellung von Bekanntem für einen Augenblick ernst. Was lernen wir? Die Enquetekommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel“ wirkt bis heute nach und führt zu einer ganzen Bandbreite von Aktivitäten. Nach und nach werden die Forderungen von der Landesregierung umgesetzt.
(Beifall von den PIRATEN und der SPD)
Ganz ehrlich: Darüber freuen wir uns.
Wir haben auch gar nichts dagegen, dass sich die Regierung dafür ein bisschen feiern lassen will, getreu dem Motto: Tue Gutes und rede drüber. Hauptsache, draußen im Land geschieht etwas zum Wohle der Menschen. Es ärgert mich aber, wenn ich mit der implizierten Behauptung konfrontiert werde, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen sozusagen die Speerspitze der wohnungspolitischen Avantgarde seien.
(Zuruf von der SPD: Das ist aber die Wahrheit!)
Es gibt nämlich noch sehr viel zu tun. Die Landesregierung versäumt es, die rot-grüne Parlamentsmehrheit verhindert es. Ein paar Beispiele gefällig? Bitte. Wohnraumförderung: 800 Millionen € sind bestimmt nicht schlecht. Aber erstens kommen fast 100 Millionen € vom Bund. Zweitens wird damit neuerdings nicht nur Wohnraumförderung betrieben, sondern auch Quartiers- und Stadtentwicklung sowie studentisches Wohnen finanziert.
(Jochen Ott [SPD]: Gott sei Dank!)
Alles nicht verkehrt, aber halt ohne, dass der Finanzansatz erhöht wurde. Das bedeutet, dass die Mittel für die klassische Wohnraumförderung faktisch gekürzt wurden.
(Jochen Ott [SPD]: Was? Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist falsch!)
Dass die 800 Millionen € unter gegebenen Marktzinsbedingungen nur schwer an einen geeigneten Investor zu bringen sind, verstehen sogar wir. Dass die Landesregierung dies aber nur beklagt und sich sozusagen als Opfer der Marktbedingungen inszeniert, verstehen wir wiederum nicht. Das zeigt letztlich nur die ungebrochene Logik von Wohnungspolitik als Wohnungsmarktpolitik. Die Kappungsgrenzen-Verordnung wird von uns ebenfalls begrüßt. Aber wir kritisieren immer noch, dass sie nur in einer kleinen Zahl von Kommunen überhaupt zur Anwendung kommen wird. Anders als die FDP, der sogar 59 Gemeinden zu viel sind, sagen wir: 59 Gemeinden sind bei Weitem nicht genug.
Nicht nur in den Wachstumsregionen, sondern auch in vielen weiteren Gemeinden und Kreisen ist die Mietbelastung der Menschen so hoch geworden, dass politische Maßnahmen zur Mietpreisbegrenzung angezeigt sind. Das kann die Wohnraumförderung sein oder eben eine breiter aufgestellte Kappungsgrenzen-Verordnung. In Dortmund wie im ganzen Ruhrgebiet sind nicht nur ähnlich viele Menschen von hohen und sehr hohen Mieten im Verhältnis zu ihrem Einkommen bedroht wie zum Beispiel in der Rheinschiene, sondern darüber hinaus werden dort in den nächsten Jahren viele Bestände aus der Mietpreisbindung fallen. Es ist also absehbar, dass wir auf ein massives Problem zusteuern.
Allein: Die Landesregierung verweigert sich. Und unsere parlamentarischen Initiativen werden mit fadenscheinigen Argumenten zurückgewiesen. Das Wohnungsaufsichtsgesetz war eine zentrale Forderung der Enquetekommission und wird von uns ausdrücklich begrüßt. Ja, wir brauchen eine gestärkte Wohnungsaufsicht. Wir würden uns jedoch freuen, mit dem Wohnungsaufsichtsgesetz läge etwas vor, was diesen Titel ein bisschen rechtfertigen würde. Tatsächlich dürfte „Wohnungsplüschtigergesetz“ den geschaffenen Möglichkeiten eher entsprechen. (Beifall von den PIRATEN)
Keine ich wiederhole: keine! in den Expertengesprächen formulierte Position wurde in das Gesetz aufgenommen. Wir und die Experten sind nicht gegen das Wohnungsaufsichtsgesetz. Wir und die Experten sind für ein Wohnungsaufsichtsgesetz, das diesen Namen verdient und den Menschen draußen wirklich hilft. Die rot-grüne Parlamentsmehrheit und die Landesregierung immunisieren sich hier gegen jeden ernstgemeinten Ratschlag. Sie haben ein Gesetz auf den Weg gebracht, das schon jetzt nicht halten kann, was Sie versprechen. Feiern Sie sich also nicht für Sachen, die wir gemeinsam viel besser und konsequenter hätten machen können.
Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Wegner. Für die Landesregierung spricht Herr Minister Groschek.
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