Dietmar Schulz über Schuldenabbau und einem Altschuldenfonds für Länder und Kommunen

Mittwoch, 9. April 2014

Top 15. Schulden abbauen – finanzielle Handlungsspielräume sichern! Die neue Bundesregierung muss sich zu einem Altschuldenfonds für Länder und Kommunen bekennen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
direkte Abstimmung
Unser Redner: Dietmar Schulz
Abstimmungsempfehlung:  Enthaltung

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Protokoll der Rede von Dietmar Schulz

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel.  Für die Piratenfraktion spricht der Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen im Saal und zu Hause! Heute gab es einen schönen Antrag: „Fit durch Sport  Einführung von motorischen Tests in Grundschulen“. Das könnten wir hier auch einmal machen. Alle mal wach werden! Wir befinden uns in der Endrunde des heutigen Plenartags. Tagesordnungspunkt 15  ein wunderbarer Antrag der regierungstragenden Fraktionen! Ganz ehrlich: Es ist ein komischer Antrag, der so vieles vermengt, dass man hier wahrscheinlich zwei Stunden darüber reden könnte. Das müssen wir aber nicht, das haben wir schon gehabt, und das brauchen wir nicht. Es ist deshalb ein komischer Antrag, weil er die Altschuldenproblematik mit Finanzierungproblemen von Ländern und Kommunen vermengt. Das ist zunächst einmal, so wie es im Raume bzw. im Antrag steht, so hinzunehmen. Allerdings suggeriert der Antrag auch, dass die Finanzierungsprobleme der Kommunen nicht in erster Linie durch hohe Zinslasten geprägt seien, sondern dass vielmehr für viele Kommunen das größte absehbare Problem die Kosten für soziale Leistungen seien, die der Bund beschlossen hat, und die die Kommunen tragen müssen.

Dazu gibt es morgen einen weiteren Tagesordnungspunkt, bezogen auf das Bundesteilhabegesetz. Dazu steht aber auch einiges hier im Antrag drin, das ist auch gemeint. Es passt aber, ehrlich gesagt, nicht so ganz. An dieser Stelle muss auch eine Problemlösung für die Kommunen ansetzen. Die Ausgaben für Soziales, die vom Bund festgelegt worden sind und von den Kommunen getragen werden, werden nämlich weiter steigen. Hier muss nachträglich das Prinzip umgesetzt werden: Wer die Musik bestellt, hat auch für sie zu zahlen. Voraussetzung für all diese Regelungen, wie sie auch hier im Antrag intendiert werden, wäre allerdings ein ausgeglichener Haushalt. Damit könnte man gegenüber allen anderen Bundesländern glaubhaft demonstrieren, dass es hier wirklich um die Rückzahlungsmodalitäten im Rahmen des Fiskalpaktes geht, so wie es dieser Antrag ebenfalls suggeriert.

Diesen ausgeglichenen Haushalt hat Nordrhein-Westfalen nicht. Damit wirkt dieser Vorstoß der SPD so, als wolle sie den Landeshaushalt NRW und die Haushalte der nordrhein-westfälischen Kommunen auf dem Rücken des dann neuen Soli auf Bundesebene erzwingen wollen. Immer stärker rückt dabei in den Vordergrund, dass NRW mit der Aufgabe des Sparziels durch den Fiskalpakt vollkommen überfordert ist. Die CDU weiß dies und ruht sich auf den vermeintlich guten Haushalten der von ihnen geführten Bundesländer und Kommunen aus. Dieser Streit wird sich in Zukunft weiter zuspitzen. Letztendlich wird es zu einer Verstärkung der Austeritätspolitik gerade im Lande Nordrhein-Westfalen kommen, die sich NRW wiederum angesichts der Ausgabenpolitik nicht leisten kann. Das ist das Dilemma, welches diesen Antrag, über den wir heute direkt und nicht erst später im Ausschuss zu entscheiden haben, treibt. Jetzt gilt es, noch einmal die Bundesseite zu betrachten und zu erkennen, dass die Bundesregierung den größten Teil der Schulden zu schultern hat. Dann ist anzunehmen, dass die Zinszahlungen, von denen hier im Antrag die Rede ist, sich dort entsprechend erhöhen werden. Eine Entlastung der Länder und Kommunen führt also zwangsläufig zu Belastungen im Bund.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Mein Gott! Scharf geschlossen, Herr Kollege!  Heiterkeit)

Die Annahmen, dass sich durch die Bildung eines gemeinsamen Fonds für den Bund nichts negativ ändern würde  so wie es im Antrag steht , teile ich nicht. Aus NRW-Sicht kann oder muss man vielleicht diese Haltung einnehmen, wenn man sieht, dass die Landesregierung überfordert ist, die Aufgaben des Landes mit den Mitteln aus Nordrhein-Westfalen zu meistern. Der einzig gangbare Weg muss das allerdings nicht sein. Gerade der erste Absatz im Beschlussteil des Antrags ist zu scharf formuliert. Stünde dort nämlich statt „zwingend notwendig“ etwa „mögliche“ oder „aus NRW-Sicht zielführende Ergänzungen“, dann könnte man hier anders zu diesem Antrag Stellung beziehen, als sich ihm gegenüber, so wie wir es tun werden, lediglich zu enthalten. Die Antragsteller möchten diesen Antrag direkt abstimmen lassen und verwahren sich damit einer wichtigen Befassung im Ausschuss. Da stellt sich doch die Frage, was diese Debatte hier überhaupt bewirken soll. Die SPD ist bekanntermaßen in der Großen Koalition vertreten. Sie hätte also alle Möglichkeiten, auf Bundesebene diejenigen Weichen zu stellen, die sie jetzt versucht, von NRW aus in den Bund zu lenken.

Sie hat anscheinend  und das ist offenbar das Zeugnis, das sie sich mit diesem Antrag selbst ausstellt  schlecht verhandelt. Einmal mehr zeigt sich eine gewisse Kraftlosigkeit in der Politik, die von diesem Land unter der rot-grün geführten Landesregierung ausgeht. Wir lassen uns von diesem doch eher als Show-Antrag zu bezeichnenden Antrag nicht ins Bockshorn jagen und springen auch nicht über das Stöckchen. Wir werden dieser Altschuldenfonds-Lösung nicht zustimmen. Wir werden den Antrag aber auch nicht ablehnen. Allerdings hätten wir erwartet, dass darüber eine Diskussion im Ausschuss stattfindet.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Schulz, die Redezeit!

 

Veröffentlicht unter Dietmar Schulz, Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden

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