Mittwoch, 9. April 2014
Top 12. Bekämpfung von Steuerkriminalität in NRW erfolgreich – Steuergerechtigkeit und automatischer Datenaustausch muss Standard werden!
Audiomitschnitt der Rede von Dietmar Schulz als Download
Protokoll der Rede von Dietmar SchulzVizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Witzel. – Für die Piratenfraktion spricht nun Herr Schulz.
Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuschauer sind kaum noch anwesend. Ich glaube nicht, dass sie weggelaufen sind, weil sie zugehört haben, sondern es gibt keine Besuchergruppen mehr im Haus. Aber ich muss Ihnen eines sagen: Diese Debatte ist meines Erachtens dieses Hohen Hauses nicht würdig, und zwar aus folgendem Grunde. Wir hören zum x-ten Mal das Loblied auf den Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen
(Hans-Willi Körfges [SPD]: Mit Recht!)
und dahingehend – was auch wirklich den Fakten entspricht,
(Beifall von der SPD)
dass es aufgrund seiner Praxis der Ankäufe von Daten-CDs zu einem erhöhten Aufkommen von Selbstanzeigen gekommen ist. Kollege Hahnen sprach eben von 70.000. Wunderbar! Es können auch 80.000 gewesen sein, von mir aus auch 100.000, das ist gar nicht die Frage. Ich glaube, es steht heute, hier und jetzt und gar nicht infrage, ob das Institut der Selbstanzeige aufgegeben werden soll. Vielmehr haben sich alle Bundesländer, alle Finanzminister und teilweise auch die Justizminister mittlerweile darauf verständigt, dass es zu einer Verschärfung der Regelungen über die Selbstanzeige kommen soll, und zwar unabhängig von der Farbe der Regierung.
(Ralf Witzel [FDP]: Mittlerweile!)
Mittlerweile! Ob das nun gut oder schlecht ist, das müssen wir hier gar nicht bewerten. Vielmehr sollten wir die Anträge bewerten. Ein Antrag, der von den regierungsnahen Fraktionen stammt und der, muss ich sagen, deutlich zu kurz springt, tut nichts anderes, als auf populistische Effekthascherei ausgerichtet zu sein.
(Beifall von den PIRATEN)
Die dicken Bretter, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, nimmt der Antrag eben nicht auf, sondern er begnügt sich damit, zu sagen: Selbstanzeigen: schön und gut. Steuerehrlichkeit: wunderbar. So soll es sein. Und Steuerkriminalität oder gar Steuerbetrug und -hinterziehung sind nachhaltig zu verfolgen. Dem kann man nach wie vor nur beipflichten. Der entscheidende Punkt dabei ist aber doch der: Wir können hier noch so oft das Loblied auf die Steuermehreinnahmen singen und den Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen lobpreisen: Wenn wir aber nicht einmal ein halbes Jahr zurückblicken auf das Jahr 2013 , dann lesen wir im Antrag unter dem ersten Spiegelstrich etwas zur Steuervermeidung und der Bekämpfung derselben im Rahmen von OECD und BEPS.
Dann schaue ich zurück auf den 20.11.2013 und auf die Drucksache 16/4465. Dort steht Ähnliches, dass nämlich – bezugnehmend auf OECD und BEPS – durch Steuervermeidungsstrategien der Bundesrepublik Deutschland eine Mehreinnahme von 160 Milliarden € entgehen, und zwar per annum, und diese seien zu bekämpfen. Wir reden hierbei nicht von ein paar Selbstanzeigen. Wir reden auch nicht davon, dass ein Herr Hoeneß mit 27 Millionen € zu viel in der Tasche herumrennt, die dem Staat und den Bürgerinnen und Bürgern gehören. Wir reden von 160 Milliarden € per annum. Warum steht davon denn nichts in einem solchen Antrag, der sagt, dass die Bekämpfung von Steuerkriminalität in NRW erfolgreich sei und Steuergerechtigkeit und automatischer Datenaustausch Standard werden müssten?
Wir lesen hier das Wort „Steuergerechtigkeit“. Aber dann lassen Sie uns doch bitte bei den Großkonzernen anfangen, lassen Sie uns die Steuerschlupflöcher schließen und dafür sorgen, dass hier pro Jahr 160 Milliarden € in die Bundeskasse fließen, aus denen dann das Land Nordrhein-Westfalen roundabout 30 bis 40 Milliarden € erzielt.
(Beifall von den PIRATEN)
30 bis 40 Milliarden €, und zwar nicht in Brosamen aufgrund irgendwelcher kleinteiligen CD-Ankäufe, verehrter Herr Finanzminister. Das ist doch nicht der Punkt. Sie wissen es doch alle. Markus Lanz zeigt es, „hart aber fair“ zeigt es, alle möglichen Fernsehsendungen, durch die man schaltet, zeigen, dass es nun einmal erfolgreich gewesen ist, die CD-Ankäufe zu tätigen. Dann schaue ich wieder in den Antrag und sehe Folgendes, nämlich im dritten Spiegelstrich eine Aufforderung zu einer Straftat. Nicht zu einer Straftat in Deutschland, nein, sondern es ist eine öffentliche Aufforderung in Deutschland zu einer Straftat beispielweise in der Schweiz, wo nämlich das Kopieren von Datenträgern und deren Verkauf strafbar sind. In Deutschland haben wir nichts davon. In Deutschland gibt es keine Datenträger, die Informationen von irgendwelchen Computern enthalten, die die entsprechenden Effekte erzielen.
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Der Antrag ist insoweit ganz gut, als seine Überschrift heißt: „Bekämpfung von Steuerkriminalität in NRW erfolgreich Steuergerechtigkeit und automatischer Datenaustausch muss Standard werden!“. Aber bei der Abstimmung über den Antrag als solchen mit seinen einzelnen Beschlussfassungen können wir uns leider nur enthalten. Das gleiche Schicksal teilt der Entschließungsantrag der CDU und der FDP; denn das habe ich eingangs schon erwähnt die Frage der Selbstanzeige steht hier meines Erachtens überhaupt nicht zur Debatte. Und es ist auch nicht zu befürchten, dass die Möglichkeit der Selbstanzeige durch irgendwelche Aktionen im Landtag Nordrhein-Westfalen gefährdet wird.
Über eine Verschärfung wird man auf der Bundesebene reden müssen. Das halte ich für einen gangbaren und sinnvollen Weg. Da wird man insbesondere, was die Verjährungsfragen und vielleicht auch was die Strafzahlungen und die Strafzinsen angeht, noch einmal nachlegen müssen, um bestimmte Vermeidungsstrategien, nämlich die Hinterziehung, einzudämmen. Ansonsten sage ich auch zum Entschließungsantrag der CDU und der FDP: Enthaltung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schulz. Nun spricht Herr Robert Stein, fraktionslos.
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