Plenarrede: Simone Brand zu Einzelplan 10 des Haushaltsentwurfs (Verbraucherschutz, Umwelt und Landwirtschaft)

Donnerstag, 28. Februar 2013

 

TOP 4. Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013)

Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/1400

Beschlussempfehlungen und Berichte des Haushalts- und Finanzausschusses 16/2100 bis 16/2107, 16/2109 bis 16/2115 und 16/2120

2. Lesung, und

Finanzplanung 2012 bis 2016 mit Finanzbericht 2013 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/1401, Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses, Drucksache 16/2121

in Verbindung damit

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2013 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2013 – GFG 2013)

Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/1402, Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses, Drucksache 16/2117

2. Lesung,  in Verbindung damit

Gesetz zur Änderung des Wasserentnahmeentgeltgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/1286

TOP 4/4. Einzelplan 10 – Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz

a) Umwelt und Naturschutz

b) Verbraucherschutz

c) Landwirtschaft

Unsere Rednerin: Simone Brand

Audiomitschnitt der Rede von Simone Brand

Videomitschnitt der Rede von Simone Brand

Das Wortprotokoll zur Rede von Simone Brand:

 

Simone Brand (PIRATEN): Mein sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Vielen Dank, Herr Markert, dass Sie auf die Dinge eingegangen sind, die Herr Deppe und Herr Busen gesagt haben. Dann muss ich mich damit nicht befassen. Ich tendiere weitgehend in Ihre Richtung.

Ein Ruck geht durch das Land. Es bewegt sich etwas. Genauso, wie die Bürger nicht länger bereit sind, die auf die Finanzwelt zugeschnittene Politik der Regierungen zu akzeptieren, genauso regt sich immer mehr Widerstand gegen eine Landwirtschafts- und Umweltpolitik, die der Industrie wohlwollend das Tablett reicht und den Verbraucher ans Ende der Interessengruppen stellt.

Die Menge der Menschen in diesem Land, die sich für Landwirtschaft interessieren, hat in den letzten Jahren um 67 % zugenommen. Laut einer GfK-Studie sind zudem 60 % der Deutschen dazu bereit, mehr Geld für gesunde und nachhaltig produzierte Lebensmittel zu bezahlen.

Gleichzeitig reißen die Meldungen über dramatische Zustände und Verbrauchertäuschung in der Landwirtschaft nicht ab. Die Menschen lassen sich nicht mehr so einfach mit den Lügen der Lebensmittelindustrie abspeisen und für dumm verkaufen. Es wird endlich nachgefragt, woher das Fleisch kommt, das auf dem Teller liegt, wie das Tier gelebt hat und welches die wahren Bestandteile auch in allen anderen Nahrungsmitteln sind.

Leider wissen die wenigsten Bürger, wo ihr Fleisch herkommt – und erst recht nicht, wie es produziert wird. Ja, wie auch? – Die Industrie und die Händler wissen es schließlich zum Teil selbst nicht, wie der jüngste Skandal um Pferdefleisch gezeigt hat. Hier ist es zwingend notwendig, die Produktions- und Lieferketten nachvollziehbar zu gestalten. Wir fordern eine lückenlose Dokumentation der Nahrungsmittel vom Züchter oder Produzenten bis hin zum Endverbraucher.

(Beifall von den PIRATEN und von Reiner Priggen [GRÜNE])

Dazu gehört natürlich auch eine einfache, klare, verständliche und wahrheitsgemäße Deklaration auf den Lebensmitteln.

Für uns ist eine gesunde und sichere Ernährung und Verbesserung der Lebensmittelsicherheit durch alle auf Landesebene möglichen Maßnahmen besonders wichtig. Das bedeutet, die Lebensmittelkontrollen so auszuweiten, wie es erforderlich ist, um die Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln sicherzustellen. Derzeit beschränkt sich der Verbraucherschutz darauf, im Nachhinein auf Lebensmittelskandale zu reagieren. Wir fordern – und das haben wir schon des Öfteren gefordert – eine proaktive Politik,

(Beifall von den PIRATEN)

eine Politik, die nicht erst reagiert, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, sondern dazu beiträgt, erst gar keine Skandale mehr entstehen zu lassen.

Ein Beispiel für solch eine Politik ist unser Antrag „Studie zur Medikamentenabgabe in der kommerziellen Tierzucht“ auf Drucksache 16/1252 . Der Antrag wurde im Ausschuss von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Es hieß: Ja, es ist doch noch gar keine Gefahr im Verzug. Warten wir also, bis wieder etwas passiert. Dann können wir noch einmal darüber reden. – Super. Hier hätten wir eine proaktive Maßnahme durchgeführt, die sicher von vielen Verbrauchern begrüßt worden wäre.

Viele Probleme entstehen auch durch die Intensivtierhaltung. Den Landwirten werden durch falsch platzierte Subventionen und andere Förderungen immer mehr Anreize gegeben, noch mehr Tiere möglichst kosteneffizient hochzumästen. Regionale Kleinbauern werden dabei fast gänzlich vernachlässigt und stehen oft vor der Entscheidung, ihren Betrieb zu schließen.

Politik setzt die falschen Zeichen und entfernt sich immer weiter von den Bedürfnissen der Menschen. So wäre zum Beispiel ein konkretes finanzielles Förderprogramm für eine regionale Landwirtschaft eine wichtige Maßnahme. Ich denke, da werden wir auch zum Haushalt 2014 entsprechende Anträge liefern. Wir wollen eine leistungsstarke regional und saisonal angepasste Landwirtschaft, an der auch Kleinbetriebe gleichberechtigt teilnehmen können.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie muss auch unter den Voraussetzungen nachhaltiger Wirtschaft und ökologischen Verbraucherbewusstseins wettbewerbsfähig sein. Die Betriebe sollen nicht wie bisher unter dem Preisdruck der Lebensmittelkonzerne und der verarbeitenden Industrie stehen.

Wir Piraten sind auch für eine konsequente Reduktion des Schadstoffeinsatzes in der Landwirtschaft. Das kann man unter anderem dadurch erreichen, dass man den Forderungen des EU-Umweltkommissars folgt und EU-Subventionen unter anderem an eine Mindestfläche für den Anbau von Leguminosen als Gründünger bindet.

(Beifall von den PIRATEN)

Gut, dass Rot-Grün im Bundesrat die Mehrheit hat und so Einfluss nehmen kann auf die Politik von Frau Aigner und ihrem Ministerium. Es dürfen auf keinen Fall weiterhin von Berlin aus die Bemühungen der EU für eine nachhaltige Landwirtschaft unterminiert werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Verbindliches Screening und die Bindung von Subventionen an verantwortliches Handeln in der Landwirtschaft sollten eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wir stehen für einen gesunden und schonenden Umgang mit Ressourcen. Denn nur so haben zukünftige Generationen immer noch die Möglichkeit, in Freiheit zu entscheiden, wie sie leben und wie sie sich ernähren wollen.

Geht es um den Verbraucherschutz, so ist ein weiterer wichtiger Punkt für uns Piraten ein bedarfsorientierter Ausbau des Beratungsangebots. Die Verbraucherberatung muss so ausgebaut werden, dass ein flächendeckendes Basisangebot vorhanden ist. Nur informierte Bürger können die für sich richtigen Entscheidungen treffen. Das gilt gerade im Lebensmittelbereich. Verbraucherbildung gehört mit einheitlichen Standards an die Schulen.

Ich freue mich sehr – leider ist Frau Voßeler gerade nicht da –, dass gerade Ende letzten Jahres die Landfrauen für ihr Engagement im Bereich Ernährung und Verbraucherbildung die Auszeichnung offizielles Projekt der UN-Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung erhielten.

Durch solche Projekte werden auch Schüler erreicht, die in Haushalten aufwachsen, in denen sich um die tägliche Ernährung weniger bis gar keine Gedanken gemacht werden.

Auch im Gastronomiebereich möchte man schließlich wissen, was hinter der Küchentür so vor sich geht. Die Kennzeichnung mit Smileys hat in Dänemark zu Erfolgen geführt. Seit dieser Kennzeichnung gehen die Beanstandungen zurück, zum Wohl der Verbraucher.

Vorsichtig ist mit der Veröffentlichung im Internet umzugehen. Ja, jetzt werden Sie staunen, dass ausgerechnet ich das sage. Aber ich sehe das so. Jedem Betrieb sollte in kurzer Frist die Möglichkeit der Nachbesserung gegeben werden. Erst dann kann eine Veröffentlichung vorgenommen werden. Der Mangel sollte hierbei beschrieben werden, harmlose Mängel gar nicht veröffentlicht werden. Da muss immer die Verhältnismäßigkeit im Auge behalten werden. Nur bei gravierenden hygienischen Mängeln steht einer direkten Veröffentlichung nichts im Wege, wobei ich doch annehme, dass, wenn man in einem Betrieb verwesende Tierkadaver in der Ecke oder in der Küche findet, dieser Betrieb direkt geschlossen wird. Auch hier wie in so vielen Bereichen ist Transparenz geboten.

Aktuell zum Beispiel gestaltet sich die Suche nach den Lebensmittelkontrollen in NRW im Netz immer noch wie ein Memory-Spiel. Das wird hoffentlich besser mit der Seite Lebensmitteltransparenz-nrw.de. Aber auf der Seite gibt es auch noch Verbesserungsbedarf. Im Gegensatz zur bayerischen Variante finden sich Hinweise zur Mängelbehebung nur auf der mühsam anklickbaren Detailseite zu den Einzelberichten, und auch dort nur, wenn man weiß, dass die Details noch einmal anklickbar sind. Dieses Vorgehen kann man im bundesweiten Vergleich als unverschämt klassifizieren. Da sind Klagen Tür und Tor geöffnet.

Denn nicht nur zum Wohl der Verbraucher, sondern auch zum Wohl der Betriebe müssen Veröffentlichungen verständlich, eindeutig und nachvollziehbar sein, eben transparent. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Brand.

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