Plenarrede: Monika Pieper zu Einzelplan 05 – Ministerium für Schule und Weiterbildung

Mittwoch, 27. Februar 2013

TOP 1. Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2013   (Haushaltsgesetz 2013)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/1400

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses

Drucksachen 16/2100 bis 16/2107, 16/2109 bis 16/2115 und 16/2120

2. Lesung

und

Finanzplanung 2012 bis 2016 mit   Finanzbericht 2013 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/1401

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses

Drucksache 16/2121

in Verbindung damit

Gesetz zur Regelung der   Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und   Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2013 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2013 –   GFG 2013)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 16/1402

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses

Drucksache 16/2117

2. Lesung

in Verbindung damit

Schulministerin Löhrmann muss umgehend handeln, um die nicht hinnehmbare Situation der Schulen bei der Organisation von pädagogisch sinnvollen Klassenfahrten zu beseitigen!

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 16/2036

Unser Rednerin: Monika Pieper

Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung

Audiomitschnitt der Rede von Monika Pieper

Videomitschnitt der Rede von Monika Pieper

Das Wortprotokoll zur Rede von Monika Pieper

Monika Pieper (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Restbestand an Kolleginnen und Kollegen!

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wir sind da! – Heiterkeit von den PIRATEN)

Ich bin überrascht, Frau Vogt, wenn ich sehe, dass es im Jahr 2013 Leute in NRW gibt, die Bildung so wenig wertschätzen. Ich denke, dass wir alle keine größeren Ressourcen haben, als wirklich Leuten Bildung zu vermitteln, damit sie NRW nach vorne bringen. Wenn ich Ihre Vorschläge heute sehe, dann fehlt mir die Sprache. Das tut mir leid. Das als Vorbemerkung.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir sind davon überzeugt, dass jeder ausgegebene Euro in der Bildung Reparaturkosten an anderer Stelle spart. Deshalb müssen wir für Bildung mehr Geld, sogar viel mehr Geld bereitstellen. Es gibt Nachholbedarf bei der Ausstattung der Schulen in NRW, und das sehen nicht nur wir so. NRW steht bei den Pro-Kopf-Ausgaben im Bundesvergleich immer noch an letzter Stelle.

Jetzt ist die Frage: Wird die Landesregierung nun alles nachholen? – Wenn ich mir den Haushaltsentwurf so ansehe, muss ich leider sagen: Nein, tut sie nicht wirklich. Zwar steigen die Gesamtausgaben erstmals auf über 15 Milliarden €, die Steigerung gegenüber dem Vorjahresansatz beträgt aber gerade einmal 1,3 %. Das ist weniger als die Inflationsrate. Diese Summe allein ist jedoch wenig aussagekräftig, wenn man nicht berücksichtigt, wofür man sie verwendet, hier vor allem für Lehrer. Mit dem vorliegenden Plan wird sich das rechnerische Schüler-Lehrer-Verhältnis leicht verbessern. Sogenannte Demografiegewinne werden im System gelassen.

Aber die bestehenden strukturellen Defizite in allen Bereichen von Schule werden leider nicht angegangen. Dazu sind weitere Maßnahmen notwendig. Die vorliegenden Verbesserungen sind hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Von den Schulen wird erwartet, dass sie neue Aufgaben übernehmen. Ja, wir sind auch für individuelle Förderung und Inklusion. Aber dafür müssen dann auch die notwendigen Mittel bereitgestellt werden. Sonst war es zwar gut gemeint, aber schlecht gemacht. Vor allem der weitere Ausbau der inklusiven Schule muss solide finanziert werden. Ich glaube, da kommen noch einige Aufgaben auf uns zu.

Frau Gebauer, in dem Zusammenhang möchte ich gerne noch einmal auf das Projekt PRIMUS zurückkommen. Ich glaube, dass PRIMUS ein wirklich superguter Ansatz ist, um Inklusion zu betreiben und um eine inklusive Schule zu machen. Denn ich glaube, dieses Lernen von Klasse 1 bis Klasse 10 bringt unheimlich viele Ressourcen, weil man einfach ältere Schüler im Nachmittagsbereich zum Beispiel unterstützend mitnehmen kann. Meine Erfahrung ist, gerade Schule Klasse 1 bis 10 ist für die inklusive Schule unabdingbar. Das finde ich supertoll.

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Wir wissen, die finanziellen Spielräume des Landes sind klein. Auch deshalb muss das Kooperationsverbot weg. Die Bildung braucht eine breite Basis. Die Beteiligung des Bundes an den Zukunftsaufgaben in der Bildung ist absolut notwendig.

Die CDU hat den Vorschlag gemacht, mit dem Einsatz von Schulverwaltungsassistenten Lehrerstellen und einen hohen Millionenbetrag einzusparen. Wir finden es zwar gut, wenn man zur Entlastung von Lehrern in der Verwaltung, aber auch in der pädagogischen Arbeit Stellen für Spezialisten schafft. Es würde sehr helfen, wenn sich die Lehrer besser auf ihr Kerngeschäft, den Unterricht, konzentrieren könnten. Aber Lehrer durch Schulverwaltungsassistenz zu ersetzen, kann es ja wohl nicht sein.

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Genau das macht man aber, wenn man fordert, dass diese neuen Stellen zu 100 % auf die Lehrerkontingente angerechnet werden. Bei den Schulverwaltungsassistenten, die es jetzt schon gibt, wird ein Drittel angerechnet. Das wird schon von vielen sehr kritisch gesehen.

Aus aktuellem Anlass eine Bemerkung zu den Reisekosten bei Klassenfahrten: Wir begrüßen die Nachricht von Frau Löhrmann, dass bereits gebuchte Fahrten finanziert werden. Der Ansatz muss aber insgesamt auch über 2013/14 hinaus deutlich erhöht werden. Da warten wir jetzt auf weitere klare Aussagen.

Der Antrag der CDU ist dabei schlecht. Diese rund 6 Millionen € durch Umschichtungen im Haushalt aufbringen zu wollen, ist absolut kontraproduktiv. Denn das heißt wieder Einsparung von Lehrerstellen. So viel Spielraum sehen wir in diesem Haushalt gar nicht, dass man irgendwo mal eben ansonsten 6 Millionen € locker machen kann, ohne an anderer Stelle, wie bei den Lehrerstellen, an die Substanz zu gehen. Der Etat muss aufgestockt werden. Die notwendigen Erhöhungen für Klassenfahrten müssen zusätzlich eingestellt werden.

Wir sehen nicht nur bei der Finanzierung der Schullandschaft Nachholbedarf, sondern auch bei der Schulentwicklung. Frau Hendricks hat es angesprochen. Schulentwicklung ist ein großes Thema im Bereich Sekundarschule.

Unser Schwerpunkt ist zusätzlich noch ein anderer. Die Informationsgesellschaft ist kein Zukunftsszenario mehr, sie ist Gegenwart. Um die Möglichkeiten des technologischen Fortschritts fruchtbar zu machen, ist Bildung gefragt wie nie zuvor in der Geschichte. Vor allem müssen wir gewährleisten, dass unsere Kinder lernen, die neuen Kommunikationsformen, Arbeits- und Kommunikationsmittel zu beherrschen. Wir müssen verhindern, dass Kinder aus sogenannten bildungsfernen Elternhäusern Computer und Internet nur als Unterhaltungsmedien kennenlernen.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Die neuen Informationstechnologien sind aus dem Arbeitsleben nicht mehr wegzudenken. Wie man sie zum Arbeiten gebraucht, muss in der Schule eingeübt werden. Aber sie werden auch immer wichtiger für die gesellschaftliche Teilhabe. Wir werden alle immer mehr zu Netzbürgern.

Zu diesen Fragen passiert hier und da ein bisschen. Es gibt zu wenig Bewegung. Eine systematische Weiterentwicklung ist nicht zu erkennen. Es sind überwiegend verstreute Einzelprojekte. Bei denen ist dann auch noch ungewiss, ob und inwieweit sie weitergeführt werden.

Auf dem Hintergrund der Bedeutung von Schulentwicklung ist es umso unverständlicher, dass bei dem Schulentwicklungsfonds und bei der Medienberatung NRW der Rotstift angesetzt wird. Gesellschaftlicher Wandel ist auch ein Wandel im Umgang mit Ideen und Informationen. Auch dies muss im schulischen Bereich Eingang finden. Im Bereich Bildung treten wir für eine freie Mediennutzung ein. Bildung ist ein viel zu wichtiges Gut, um es unnötig vielen Einschränkungen zu unterwerfen. Die UNESCO und die Enquete-Kommission „Internet und Gesellschaft“ des Bundestags empfehlen die Förderung von Open Educational Resources, also von Lernmitteln unter freier Lizenz. In Kalifornien und Polen laufen längst entsprechende Projekte. In NRW möchten wir dies gerne voranbringen.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir haben lange überlegt, welche Haushaltsanträge im Einzelplan wir stellen wollen. Wir hatten viele erarbeitet und wollten auch die vom letzten Jahr erneut stellen. Da wir aber wissen, dass wir mit Millionenforderungen hier eh nicht durchkommen, haben wir uns entschlossen, exemplarisch einen sehr, sehr kleinen Antrag zu stellen. Wir haben eine Forderung über gerade einmal 100.000 €, die zeigen soll, in welche Richtung Schulentwicklung auch gehen muss. Wir wollen das Angebot an Lernmitteln unter freien Lizenzen fördern.

Lernmittel werden zu einem guten Teil öffentlich finanziert. Zwei Drittel der Anschaffungskosten trägt die öffentliche Hand. Nach einer Überschlagsrechnung kostet dies in NRW jährlich bis zu 100 Millionen €. Dazu kommen noch 2 Millionen € für die VG WORT, Millionen Euro dafür, dass Lehrer an den Schulen Kopien aus Büchern machen dürfen, die sie oder die Eltern bereits bezahlt haben.

Ich bin überzeugt, hier sind Lernmittel unter freier Lizenz eine günstige Alternative. Langfristig würden die Kosten für Lernmaterial sinken. Das würde zu Kostenersparnissen führen.

Um dies zu erproben und zu beweisen, fordern wir, dass Wettbewerbe durchgeführt werden. Als Einstieg möchten wir gerne einen Wettbewerb für ein Lese- und Mathebuch in der Grundschule. Wir wollen, dass für Schulbücher, die unter freier Lizenz veröffentlicht werden, Preise ausgelobt werden, in etwa so; wie man es von Architekturwettbewerben kennt. Wir wollen, dass diese Werke dann auch in den Schulen zum Einsatz kommen.

Rot-Grün hat leider auch dieses kleine Projekt abgelehnt, 100.000 € für den Einstieg in die Entwicklung der freien Lernmittel. Warum? Ich weiß es nicht. Es ist nun wirklich kein Betrag, den man nicht hätte aufbringen können. Das sieht nicht nach ausgestreckter Hand und konstruktiver Zusammenarbeit aus. Das wird uns aber nicht davon abhalten, gerade dieses Thema weiter voranzutreiben. Andere Länder machen uns vor, wie es geht. Ich fände es mehr als schade, wenn NRW diese Entwicklung verschlafen würde.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir fordern Vorrang für Bildung, mehr Geld für individuelle Förderung und für gelingende Inklusion sowie mehr Investition in die Schulentwicklung, insbesondere in neue Medien.

Im vorliegenden Haushaltsentwurf können wir dies leider nicht feststellen. Selbst unsere minimale Forderung wird abgelehnt. Wir fordern die Landesregierung – Frau Löhrmann – auf, sich mit uns zusammenzusetzen und über unsere Anträge zu verhandeln. Bis zur dritten Lesung ist dafür ausreichend Zeit. Hier und heute werden wir den Haushaltsentwurf ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete.

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