Mittwoch, 15. Mai 2013
Unsere Abstimmungsepfehlung: Zustimmung der Überweisung an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Audiomitschnitt der Rede von Simone Brand
Videomitschnitt der Rede von Simone Brand
Nachtrag zur Rede von Simone Brand (Video)
Das vollständige Plenarprotokoll
Das Wortprotokoll zur Rede von Simone Brand:
Simone Brand (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Zuschauer! Schweinehaut im Frischkäse, Kälberlab in salzigen Snacks, Schweineborsten im Brot, Gelatine im Orangensaft: Haben Sie gewusst, was in unseren Lebensmitteln enthalten ist oder bei der Herstellung verwendet wird?
Was für den normalen Verbraucher schon unappetitlich klingt, ist für andere Menschen schlichtweg eine Katastrophe. Ein Veganer, der Fruchtgummis kauft, die sogar als Veggie-Produkt gekennzeichnet sind, muss in diesem Land damit rechnen, tierische Gelatine zu sich zu nehmen; denn der Begriff „vegan“ ist bis heute nicht geschützt.
Oder erklären Sie einmal jemandem mit jüdischem oder muslimischem Glauben, dass zur Herstellung des Brotes Schweineborsten verwendet werden! Darauf muss man überhaupt erst einmal kommen. Als integrationspolitische Sprecherin meiner Fraktion sehe ich in diesem Umstand nicht gerade eine praktizierte Rücksichtnahme.
Das deutsche Lebensmittelrecht enthält bisher weder eine verpflichtende Regelung für die ausdrückliche Kennzeichnung des tierischen Ursprungs von Zutaten, Zusatzstoffen, Aromen oder Bestandteilen von Aromen und technischen Hilfsstoffen in Lebensmitteln noch eine Definition der Begriffe „vegetarisch“ und „vegan“. Das macht es einer Vielzahl von Verbrauchern nahezu unmöglich, sich gemäß ihrer Überzeugung oder religiösen Zugehörigkeit zu ernähren. Ob als Trägerstoffe, als Vitamine, als Ausgangsstoff für Aromen oder als technische Hilfsstoffe während der Herstellung: Ohne jede Kennzeichnung werden viele Lebensmittel mithilfe von Zutaten oder Zusätzen tierischen Ursprungs hergestellt. Selbst wenn Lebensmittelhersteller freiwillig Produkte als vegetarisch oder vegan ausloben, besteht kein ausreichender Schutz vor Täuschung; denn diese Begriffe sind juristisch nicht definiert.
Der Definition von „vegetarisch“ und „vegan“ stehen keine rechtlichen Gründe entgegen. Das ist auch nach europäischem Primärrecht zulässig. Solange und soweit keine europarechtliche Regelung besteht, liegt die Kompetenz bei den Mitgliedstaaten. Der freie Warenverkehr wird dadurch nicht beeinträchtigt. Es geht bei dieser Änderung der Verordnung nur um eine rechtliche Definition, vergleichbar mit dem Bio-Siegel. Im Gegensatz zum unzulässigen CMA-Gütesiegel erfolgt hier kein Eingriff in den Warenverkehr durch die Absatzförderung inländischer Produkte. Eine vergleichbare Regelung der Food Standards Agency in Großbritannien wurde bislang auch nicht beanstandet. Wir können also loslegen.
Mein grundsätzlicher Ansatz im Verbraucherschutz war und ist immer: Nur der informierte Bürger kann die für sich richtigen Entscheidungen treffen.
(Beifall von den PIRATEN)
Daher ist es nur konsequent, jetzt diese Bundesratsinitiative zu fordern.
Insgesamt haben bis gestern bereits mehr als 66.000 Verbraucher per von foodwatch und vom Vegetarierbund Deutschland durchgeführter Unterschriftenaktion von Ministerin Aigner eine Gesetzesänderung gefordert, doch bis heute keine Antwort erhalten.
Das ist ein Gesetzentwurf von einer NGO. Darum kümmert sich natürlich keiner. Deshalb nehmen wir diese Forderung hier und heute auch gerne auf. Warum soll man das Rad neu erfinden, wenn ein juristisch geprüfter Antrag fertig vorliegt?
Meine Damen und Herren, in Berlin wird in Sachen Verbraucherschutz immer viel angekündigt. Die Zehn-Punkte-Pläne gelten schon fast als Synonym für Tatenlosigkeit.
Häufig wird darauf verwiesen – vielleicht wird das gleich auch geschehen –, auf europäischer Ebene sei es schon in Planung oder in Mache. Ich erinnere hier nur an die Greening-Quote. Sie war von Europa auf 7 % festgelegt worden. Bei Frau Aigner sind es schließlich noch 3 % geworden. Wir müssen also schon selber mit einer Bundesratsinitiative aktiv werden.
Lassen Sie uns mit diesem Antrag einen Vorstoß machen, um wenigstens bei diesem Aspekt der Lebensmittelkennzeichnung für mehr Transparenz zu sorgen. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Brand. – Bleiben Sie bitte noch einen Moment hier vorne bei uns; denn zu Ihrer Rede ist von der FDP-Fraktion eine Kurzintervention angemeldet worden. Kollege Höne möchte 90 Sekunden lang sagen, was er jetzt meint.
(Heiterkeit)
Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Brand, in Ihren Ausführungen zu „Ihrem“ Antrag – „Ihrem“ müssen wir an dieser Stelle in Anführungszeichen setzen – haben Sie dann ja doch noch verraten, dass die Gedanken ursprünglich gar nicht von Ihnen kommen, sondern eigentlich von einer NGO, wie Sie es genannt haben, also von einer Lobbyorganisation, nämlich von foodwatch, stammen.
Ich finde, es ist schon erklärungsbedürftig, wenn Sie, die Sie den Transparenzanspruch wie eine Monstranz vor sich hertragen, hier einen solchen Entwurf 1:1 übernehmen.
(Christof Rasche [FDP]: 1:1! – Gegenrufe von den PIRATEN)
„1:1“ war ja heute auch das Motto der Piraten beim Thema „Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst“. Das hat man dann einfach hierauf übertragen. Das ging ja dann sogar so weit, liebe Kolleginnen und Kollegen der Piraten, dass Sie die Begründung von foodwatch, also etwas Subjektives, als objektiv in der Sachverhaltsdarstellung dieser Drucksachennummer einfach so übernommen haben.
Sie scheitern an dieser Stelle an Ihren sich selbst auferlegten Transparenzhürden, wenn Sie der Meinung sind, man könnte hier einfach etwas 1:1 übernehmen und in der Rede kurz andeuten, wo es eigentlich herkommt. Ich finde, solche 1:1-Übernahmen werden diesem Hause nicht gerecht. Ich bin der Meinung, dass an dieser Stelle auch ein bisschen mehr eigener geistiger Input ganz gut gewesen wäre.
(Beifall von der FDP)
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin Brand, Sie haben jetzt 90 Sekunden Zeit für Ihre Antwort.
Simone Brand (PIRATEN): Vielen Dank. – Ich habe mich dazu deutlich geäußert. Ich habe auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass dieser Antrag von foodwatch ist. Man hätte natürlich irgendwie den Inhalt nehmen können und das Ganze noch einmal neu schreiben können.
Aber was ich bereits ausgeführt habe: Wir haben hier einen fertigen Antrag, der dort versauert wäre, weil sich da keiner um einen NGO-Antrag kümmert. Wir hatten von verschiedenen Juristen eine Prüfung dieses Antrags, der als gut befunden wurde. Er wurde Richtung EU und aller vorhandenen Vorschriften abgeklopft.
Transparenz ist, dass ich gesagt habe, er ist von foodwatch. Ich verstehe nicht ganz, warum Sie meinen, dass etwas Gutes, was bereits vorliegt, nicht einfach verwendet werden kann. Das kann ich nicht nachvollziehen.
(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von den PIRATEN: Weil die FDP mit Kopieren ein Problem hat! – Weitere Zurufe von Christian Lindner [FDP] und Christof Rasche [FDP])
Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Frau Brand. –
[…]
Simone Brand (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ganz kurz zwei Sachen.
Wir haben diesen Antrag weder geklaut noch uns schreiben lassen. Es ist etwas anderes, ob da etwas Fertiges liegt, was vergammelt, und man fragt dann die Erzeuger, ob man es benutzen darf. Ich würde da schon gerne differenzieren.
Das andere: Frau Blask hat gesagt, dass es rechtlich nicht geht. – Es geht nicht, wenn man nach Art. 169 Abs. 4 AEUV vorgeht. Es ist jedoch anders, wenn man Art 39 Abs. 1 der LMIV betrachtet. Danach sind einzelstaatliche Vorschriften über zusätzliche verpflichtende Angaben bei Lebensmitteln unter besonderen Voraussetzungen möglich, unter anderem aus Gründen des Verbraucherschutzes.
Also, wir haben das schon prüfen lassen. – Danke.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. –
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