Keine geheimen Datensammlungen über Fußballfans! Kontrolle und Transparenz ermöglichen – Betroffene proaktiv informieren

I. Sachverhalt

Immer wieder werden eklatante Datenschutzverstöße bekannt, wenn es um polizeiliche oder nachrichtendienstliche Speicherungen von Personen und personenbezogenen Hinweisen in Dateien geht. Zuletzt beanstandeten die Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder rechtswidrige Speicherung in der sogenannten „Falldatei-Rauschgift“. In der Datei wurden Personen wegen Bagatelldelikten gespeichert sowie Kontaktpersonen erfasst, die in keinerlei Zusammenhang mit Rauschgift stehen.

Währenddessen kämpft die Deutsche AIDS-Hilfe in NRW gegen die Stigmatisierung von HIV-Positiven als ansteckend (ANST) in Polizeidatenbanken wie dem Auskunftssystem „POLAS NRW“. In einer Erklärung im Oktober dieses Jahres forderte die Deutsche AIDS-Hilfe die Innenminister aller Bundesländer auf, die Kennzeichnung von Menschen mit ANST zu beenden. Es gibt weitere problematische Personenbezogene Hinweise, wie die Antwort auf eine Anfrage der Piratenfraktion („Personengebundene Hinweise in polizeilichen Datenbanken“, Drucksache 16/10114) zeigt. In Niedersachsen wurden 2013 beim dortigen Verfassungsschutz rechtswidrige Speicherungen entdeckt. Dies führte dazu, dass mehr als die Hälfte der Datenbestände der Amtsdatei des niedersächsischen Verfassungsschutzes gelöscht oder korrigiert werden musste.

In NRW wird insbesondere über die polizeiliche Speicherung von Informationen über Fußballfans gestritten. Fans können viele Nachteile durch eine Abspeicherung ihrer Daten erleben: Beispielsweise werden aus diesen Dateien personenbezogene Daten an Vereine und Verkehrsunternehmen weitergeleitet, was zu Stadionverboten oder Absagen für Fan-Busfahrten führen kann.

Seit 1994 führt das Bundeskriminalamt auf Grundlage des BKA-Gesetzes die durch Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren eingerichtete Verbunddatei „Gewalttäter Sport“. Zurzeit sind ca. 13.000 Personen in dieser Volltext-Datei verzeichnet. Die Eintragungen in die Datei für Gewalttäter rund um Sportveranstaltungen erfolgt nicht aufgrund von Gewalttaten, wie der Name vermuten lässt. Für die Eintragung können einfache Personalienfeststellungen, Platzverweise, der Besitz von Pyrotechnik oder eine Ingewahrsamnahme im Zusammenhang mit einem Sportereignis genügen. Dabei reicht die Einleitung eines polizeilichen Ermittlungsverfahren wegen unterschiedlichster Straftatbestände, darunter Diebstahl oder Beleidigung, aus.

Die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens führt nicht automatisch zur Löschung. Meistens wird die grundsätzlich zugelassene Speicherdauer von fünf Jahren ausgeschöpft. Gespeichert werden nicht nur Vorfälle im Stadion, sondern auch bei An- und Abreise oder an „Treffpunkten“ von Fans. Zugriff auf die DGS haben die Polizeibehörden der Länder, das BKA sowie die Bundespolizei. Da für Eintragungen und Pflege der Bestände das Tatortprinzip gilt, erfolgt ein Großteil der Datenerhebungen und Speicherungen durch das Land NRW. Gemäß § 8 Abs. 4 BKAG dürfen auch Kontakt -und Begleitpersonen, Hinweisgeber und sonstige Auskunftspersonen gespeichert werden, soweit dies zur Verhütung oder zur Vorsorge für die künftige Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. In NRW werden dabei eingetragene Personen nicht über eine Speicherung informiert und müssen selbstständig Auskunft bei der Zentralen Informationsstelle für Sporteinsätze (ZIS) verlangen. Das Bundesland Bremen hat sich 2013 dafür entschieden, gespeicherte Personen proaktiv über einen Eintrag in der DGS zu informieren.

Neben der DGS führen Kreispolizeibehörden einiger Bundesländer noch eigene Arbeitsdateien ihrer „Szenekundigen Beamten“ (SKB). Solche Arbeitsdateien wurden durch die Antwort auf die Kleine Anfrage „Geheime Amtsdateien von Szenekundigen Beamten (SKB) über Fußballfans“ im September 2015 bekannt. Nordrhein-westfälische Behörden führten zum damaligen Zeitpunkt die Daten von 6.500 Bürgern und Bürgerinnen in den SKB-Dateien. Für eine Eintragung gelten noch weichere Kriterien als bei der DGS. Dies führt dazu, dass in NRW viel mehr Personen in den „SKB-Dateien“ landen als in der Verbunddatei DGS. Da die Dateien bis 2015 in NRW unbekannt waren, gab es für Fans nicht einmal die Möglichkeit, sich über eine Speicherung zu informieren. Auskünfte darüber, welche Anlässe zu den Speicherungen der Personen führen, wurden bis heute nicht offengelegt.

Die Entdeckung der geheimen SKB-Dateien hat in verschiedenen Bundesländern zur Überprüfung der Datenbestände geführt: Der Hamburgische Landesdatenschutzbeauftragte beanstandete die dortige SKB-Landesdatei als „zum großen Teil rechtswidrig“. Die Polizei musste daraufhin 900 von 2.200 Personen aus der Datenbank entfernen. In Niedersachsen werden Überprüfungen und die Zusammenlegung der dortigen SKB-Dateien erwartet, nachdem ein Fan vor dem OVG Lüneburg geklagt hatte und Teillöschungen vorgenommen werden mussten. In Schleswig-Holstein wurden als Folge der Aufdeckung der dortigen Datei „Fußball SH“ alle Personen über den Umstand der Speicherung informiert.

Diese Vorgehensweise wäre für die DGS sowie für die nordrhein-westfälischen SKB-Dateien wünschenswert, da gespeicherte Fans die Möglichkeit erhalten, die Rechtmäßigkeit des Eintrags überprüfen zu lassen. Die Landesregierung NRW gibt bei der Gruppe der sogenannten „Intensivtäter“ an, dass die Mitteilung über die Beobachtung durch Sicherheitsbehörden einen präventiven Effekt habe. In der Stellungnahme 16/1558 an den Landtag NRW schreibt der Rechtsanwalt Jan-Rüdiger Albert: „Eine Mitteilungspflicht an die Betroffenen über die Eintragung ist erforderlich, da für die Eintragung nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet sein muss. Darüber hinaus wird nicht jedes Ermittlungsverfahren dem Betroffenen bekannt gemacht, auch die Einstellung nicht, § 170 Abs. 2 StPO. Es handelt sich auch nicht etwa nur um ein reines Polizeiinternum, da die DGS-Eintragung eine Ausschreibung mit sich führt, die mit erheblichen Nachteilen für die Eingetragenen verbunden ist. Die Speicherung als solche stellt einen Grundrechtseingriff dar (informationelle Selbstbestimmung). Die Mitteilungspflicht ist in besonderem Maße wegen der schwierigen Rechts- und Praxisfragen im Zusammenhang mit der Löschung der Daten zwingend erforderlich.“

Ebenso ist der Aufwand für potenziell betroffene Personen, ihr Recht auf Auskunft gemäß §18 DSG NRW wahrzunehmen, unverhältnismäßig, wenn keine definierte Stelle zuständig ist.

Es ist nicht verständlich, warum Fans nicht über eine Eintragung informiert werden sollten. Transparenz kann im Bereich der Sicherheit rund um die Stadien einen präventiven Effekt haben und die Dialogbereitschaft zwischen Polizei und Fans fördern.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, 

  1. alle betroffenen Personen über einen Eintrag durch nordrhein-westfälische Behörden in die Verbunddatei DGS und über Speicherungen in anderweitigen lokalen „SKB-Dateien“, die im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen geführt werden, zu informieren.
  2. eine Prüfung des Datenbestandes der sogenannten „SKB-Dateien“ und deren Anwendung sowie Nutzung seitens der Sicherheitsbehörden durch eine unabhängige Stelle zu veranlassen und dem Landtag bis zum 31.03.2017 zu berichten.

Mitschnitt der kompletten Debatte:

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