Der Boom der Share-Deals muss jetzt ein Ende haben! – Durch aggressive Steuervermeidungsstrategien entgehen Nordrhein-Westfalen jedes Jahr Millionen an Grunderwerbsteuereinnahmen

I. Sachverhalt

Grunderwerbsteuerfreie Share-Deals erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Nach Schätzungen des Maklerhauses Aengevelt lag 2015 der Anteil der Share-Deals in Berlin, Frankfurt und Düsseldorf deutlich über dem Wert der Vorjahre.

Selbst die „Öffentliche Hand“ ist sich nicht zu schade, getrieben von der Pflicht zur Gewinnoptimierung Immobilienwerte unter Umgehung von Grunderwerbsteuer zu veräußern. So hat die Erste Abwicklungsanstalt (NRW), die komplett vom Land, den Sparkassen- und Landschaftsverbänden beherrscht wird, just die „Westfonds“, eine ehemalige Tochter der WestLB verkauft. „Westfonds“ besteht aus mehreren geschlossenen Fonds, die Immobilien halten. Verkauft wurde vermittels eines Share-Deals und damit ohne Anfall von Grunderwerbsteuer auf Seiten der Käufer.

Bei einem Share-Deal handelt es sich um eine Konstruktion, welche die Grunderwerbsteuer komplett aushebelt. Dabei wird die Immobilie nicht direkt verkauft, sondern in eine Gesellschaft eingebracht wie eine GmbH & Co. KG beispielsweise. Dann erwirbt der Käufer die Mehrheit der Anteile an dieser Gesellschaft, in der Regel 94,9 Prozent. Damit ist er de facto Eigentümer der Immobilie. Die 94,9 Prozent sind wichtig, denn solange weniger als 95 Prozent der Anteile gekauft werden, muss der Käufer keine Grunderwerbsteuer zahlen. Die restlichen Anteile behält oft der Voreigentümer.

Anders als für große Investoren, eignen sich Share-Deals für den normalen Bürger, der eine Wohnung oder ein Einfamilienhauses kaufen möchte, nicht. In der Praxis beschäftigen die sogenannten Share Deals eine Heerschar von Notaren, Anwälten und Wirtschaftsprüfern, die an ihnen gut verdienen. Aengevelt schätzt, dass sich Share-Deals erst ab einem Kaufpreis von 15 Millionen Euro rechnen.

In Berlin wurden 2015 laut Aengevelt Share-Deals im Volumen von über 4 Mrd. Euro getätigt, das sind 19,5% des Umsatzes am Berliner Immobilienmarkt. In Frankfurt machten Share-Deals mit 2,9 Mrd. Euro sogar knapp ein Drittel des Transaktionsumsatzes aus. In Düsseldorf waren es mit 520 Mio. Euro knapp 11%.

Legt man den für NRW geltenden Grunderwerbsteuersatz von 6,5 Prozent zugrunde, sind dem Land NRW damit alleine bezogen auf Düsseldorf im letzten Jahr rd. 34 Mio. Euro im „Ersteffekt“ an Steuereinnahmen entgangen. Pro Jahr kann man für die Metropolregion NRW von Steuereinbußen in 3-stelliger Millionenhöhe durch Share-Deals ausgehen.

Da die Gesetzgebungskompetenz (konkurrierende Gesetzgebung) gemäß Art. 105 Abs. 2 GG über die Grunderwerbsteuer seit 1983 beim Bund liegt, bedarf es einer Bundesratsinitiative, um das Steuerschlupfloch „Share Deals“ zu schließen und diesen unhaltbaren Zustand zu beenden. Der Entschließungsantrag (Drs. 16/7610) von der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum „Gesetz über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer“ vom 16.12.2014, der von der nordrhein-westfälischen Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Verhinderung von Share-Deals forderte und vom Landtag beschlossen wurde, blieb bislang folgenlos.

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Der Anteil der Share-Deals bei Immobilientransaktionen steigt in den letzten Jahren deutschlandweit massiv an. Share-Deals stellen damit das wichtigste Steuerschlupfloch im Grunderwerbsteuergesetz dar.
  2. Jedes Jahr entgeht Nordrhein-Westfalen durch Share-Deals ein 3-stelliger Millionenbetrag an Grunderwerbsteuerannahmen.
  3. Ein von den rot-grünen Regierungsfraktionen in Nordrhein-Westfalen erwirkter Landtagsbeschluss vom 16.12.2014, der eine Bundesratsinitiative vorsah mit dem Ziel Steuerschlupflöcher im Grunderwerbsteuergesetz zu schließen, hatte bisher keine Wirkung.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

sich in Form einer Bundesratsinitiative endlich konsequent für die Schließung sämtlicher Steuerschlupflöcher, insbesondere der Share-Deals, im Grunderwerbsteuergesetz einzusetzen

Mitschnitt der kompletten Debatte:

Protokoll der Rede von Dietmar Schulz:

Dietmar Schulz (PIRATEN): Danke schön, Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Stream und auch hier im Plenarsaal! Wir hörten gerade noch beim letzten Tagesordnungspunkt einiges über Glaubwürdigkeit und davon, dass viel geredet wird und Schlagzeilen produziert werden, manchmal aber auch nichts gemacht wird.

Ein weiteres Problem spreche ich jetzt im Zusammenhang mit den sogenannten Share Deals an. Grunderwerbsteuerfreie Share Deals boomen derzeit in Deutschland. Nach Schätzungen des Maklerhauses Lengefeld lag in 2015 der Anteil der Share Deals in Berlin, Frankfurt und Düsseldorf deutlich über dem der Vorjahre. Dazu muss man wissen: Beim Share Deal handelt es sich um eine Konstruktion, welche die Grunderwerbsteuer komplett aushebelt. Finanzminister Walter-Borjans, der sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Robin Hood der Steuerzahler aufspielt, kann noch nicht mal Share Deals in Sichtweite des Landtags verhindern. So musste er in der Vorlage16/4155 an den Haushalts- und Finanzausschuss jüngst einräumen, dass die erste Abwicklungsanstalt NRWs, die komplett vom Land, den Sparkassen und den Landschaftsverbänden beherrscht wird, just die WestFonds, eine ehemalige Tochter der WestLB, verkauft hat.WestFonds besteht aus mehreren geschlossenen Fonds, die Immobilien halten. Verkauft wurde vermittels Share Deals, und damit ohne Anfall von Grunderwerbsteuer auf Seiten der Käufer. Totalausfall! Wie auch immer die fiskalischen Auswirkungen für den Landeshaushalt sein mögen, die Signalwirkung eines solchen Vorgangs ist fatal, genauso wie die Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf 6,5 %, die die Attraktivität gerade auch von Share Deals erhöht hat.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

–Danke schön, Herr Kollege Witzel.

–Da braucht es auch keine Spekulationen darüber, ob dann, wenn es diese Share Deals nicht gäbe, die Kaufpreise möglicherweise sinken würden, nämlich um den Anteil, den die Grunderwerbsteuer bedeuten würde. Das ist eine Frage der Geldmarktpolitik, und diese liegt nicht in der Kompetenz des Landes. Da braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn in Düsseldorf Share Deals im Volumen von 520 Millionen € in 2015 getätigt wurden –immerhin rund 11 % des Umsatzes am Düsseldorfer Immobilienmarkt. Legt man den für NRW geltenden Grunderwerbsteuersatz von 6,5 % zugrunde, sind dem Land NRW damit alleine bezogen auf Düsseldorf im letzten Jahr 34 Millionen € im Ersteffekt an Steuereinnahmen entgangen. Pro Jahr kann man für die Metropolregion Nordrhein-Westfalen von Steuereinbußen in dreistelliger Millionenhöhe durch Share Deals ausgehen. Ein von Rot-Grün in NRW erwirkter Landtagsbeschluss vom 16. Dezember 2014 – und da komme ich zu besagtem „Machen statt Reden“ –, der eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel vorsah, Steuerschlupflöcher im Grunderwerbsteuergesetz zu schli eßen, hatte bisher keine Wirkung.

Share-Deals sind Steuerschlupflöcher erster Güte. Steuerschlupflöcher sind nicht illegal, aber fiskalmoralisch verwerflich und somit zu stopfen –übrigens eine Argumentation, die Sie, Herr Finanzminister, immer gern an diesem Pult, aber auch im Haushalts-und Finanzausschuss vertreten. Angesichts des Booms der Share-Deals in Nordrhein-Westfalen und der Tatsache, dass selbst die öffentliche Hand sich nicht zu schade ist, Immobilienwerte unter Umgehung von Grunderwerbsteuer zu veräußern, fordern wir Piraten die Landesregierung auf, sich in Form einer Bundesratsinitiative endlich konsequent für die Schließung sämtlicher Steuerschlupflöcher und insbesondere für die Abschaffung der Share-Deals im Grunderwerbsteuergesetz

einzuset zen, so schwierig das im Übrigen auch technisch sein mag.

Herr Finanzminister, Sie mögen gerne auf Ihren Finanzministerkollegen aus Hessen, Thomas Schäfer von der CDU, verweisen. Das tun auch einige Fachleute, die davon ausgehen, dass jetzt eine Bundesrats initiative kommen werde–aus Hessen, nicht aus Nordrhein-Westfalen. Nun, wie auch immer, Fachleute sprechen davon, dass dies jedenfalls in dieser Legislaturperiode schon nicht mehr gelingen kann. Sie hätten indessen seit 2014 die Zeit und auch die Manpower in Ihrem Ministerium gehabt, in dieser Hinsicht etwas auf den Weg zu bringen. Das ist nicht geschehen, und das kratzt an der Glaubwürdigkeit der Politik, auch in diesem Land Nordrhein-Westfalen.

Als Finanzminister des bevölkerungsreichsten Bundeslandes sind Sie seit fast zwei Jahren persönlich in der Pflicht, und zwar gemäß Landtagsbeschluss, auf diese Pflicht erneut aufmerksam zu machen. Dazu dient unser heutiger Antrag. Was den Antrag der CDU angeht, begrüßen wir diesen, werden uns allerdings bezüglich des Antrags enthalten. Wir halten diese Systematik der Arbeitsgruppe auf Länderministerebene für nichts weiter als ein Hinauszögern und ein Versandenlassen im Zuge der diversen Wahl- kämpfe, die uns noch bevorstehen. Allerdings wäre ein Vorstoß in Richtung auf eine Schließung des Steuerschlupflochs Share-Deals auch vor dem Hintergrund des Wahlkampfes begrüßenswert, und zwar insofern, als die Menschen vielleicht daran erinnert werden, dass Politik auch Glaubwürdigkeit verkörpern kann.

– Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

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