Grundrechtsschädliche Terrorpakete stoppen – Meinungsfreiheit bewahren – Registrierungspflicht für Prepaid-Mobilfunktelefonkarten streichen

I. Sachverhalt

Mit neuen Einschränkungen für die informationelle Selbstbestimmung und neuen Befugnissen für die Bundespolizei reagiert die Bundesregierung auf die letzten Anschläge in Paris und Brüssel. Ohne eine Anhörung von unabhängigen Sachverständigen hat die Große Koalition das „Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus“[1] vor wenigen Tagen durch den Bundestag gebracht – Oppositionsfraktionen blieben aus Protest der Anhörung fern, da nur abhängige und weisungsgebundene Beamte durch die Große Koalition geladen waren.

Das Gesetz steht vielfach in der Kritik, da es u.a. versucht, für die privaten Nutzerinnern und Nutzer endgültig die Möglichkeit eines anonymen Mobilfunkzugangs abzuschaffen. Durch eine Verschärfung der Registrierungspflichten beim Kauf einer SIM-Karte sollen die Bestands- und Vorratsdaten über Mobilfunkkarten lückenlos erfasst werden.

Das Internet ist in den letzten Jahren zum wichtigsten gesellschaftlichen und politischem Medium geworden. Auch ist das Internet zur größten Informations- und Wissensquelle für weite Teile der Bevölkerung geworden und verändert die Medienlandschaft erheblich. Gesellschaftliche Diskussionen finden heutzutage vielfach auf den sozialen Plattformen im Internet statt und machen das Internet zu einem wichtigen Medium für freie Meinungsäußerung. Diesen digitalen Wandel muss auch der Gesetzgeber berücksichtigen, damit die Informationsfreiheit und freie Meinungsäußerung ausreichend geschützt werden.

Das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, die Informationsfreiheit, wird erheblich eingeschränkt, wenn es keine anonyme Möglichkeit mehr gibt, dieses Recht auszuüben. Eine Zwangsregistrierung mit dem Personalausweis hindert Menschen daran, sich frei und ungehindert zu informieren. Die Möglichkeit, jederzeit identifiziert zu werden, bewirkt einen Abschreckungseffekt. Dass dieser Effekt nicht nur theoretischer Natur ist, zeigen Analysen aus Berkeley, USA, die deutliche Veränderungen in den Wikipedia-Recherchen festgestellt haben, nachdem die massive Onlineüberwachung durch staatliche Stellen in den USA durch den Whistleblower Edward Snowden publik gemacht wurde.[2]

Dieser Abschreckungseffekt wirkt sich nicht nur auf die Informationsfreiheit aus, sondern bietet auch das Potenzial, die freie Meinungsäußerung zu gefährden, wenn jederzeit eine eindeutige Identifizierung einer Person möglich wird.

Die Informationsfreiheit und die freie Meinungsäußerung bilden zusammen die Meinungsfreiheit, deren Schutz unabdingbar für eine freie Gesellschaft ist und deren Einschränkung einer sehr sorgfältigen Abwägung bedarf. Der Verzicht auf unabhängige Sachverständige im Bundestag hat gezeigt, dass auf sorgfältige Abwägungsprozesse in diesem Gesetzgebungsverfahren kein Wert gelegt wurde. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Einschränkung von essentiellen Grundrechten gegenüber dem vermeintlichen Nutzen bei der Verfolgung von Straftaten ist offensichtlich nicht erfolgt.

II. Der Landtag stellt fest

  1. Anonyme Kommunikationsmöglichkeiten sind eine entscheidende Voraussetzung zum Schutz der Informationsfreiheit und der freien Meinungsäußerung.
  1. Das geplante Gesetz zur Umsetzung der Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung schränkt die Meinungsfreiheit unverhältnismäßig stark ein.
  1. Vor einer weiteren Verschärfung der Registrierungspflichten für Prepaid-Mobilfunktelefonkarten ist der Ausgang des Verfahrens über die Aufhebung des Identifizierungszwangs für Mobilfunktelefonkarten[3] vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abzuwarten.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. Im Bundesrat auf die Einberufung des Vermittlungsausschuss hinzuwirken, um im „Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ eine Streichung der erweiterten Registrierungspflicht für Prepaid-Mobilfunktelefonkarten zu erreichen, und, falls die Streichung nicht erreicht wird,
  2. auf einen Einspruch des Bundesrates gegen das „Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ hinzuwirken.

[1] http://dip.bundestag.de/btd/18/087/1808702.pdf

[2] http://heise.de/-3194816

[3]http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=50001/12

 

Mitschnitt der kompletten Debatte:

Protokoll der Rede von Frank Herrmann:

Frank Herrmann (PIRATEN): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Stream! Bleiben Sie ruhig hier. Jetzt wird es spannend, denn ich spreche darüber, wie mit Bedrohungsszenarien und Angst vor dem Terror als Begründung in Deutschland seit Jahrzehnten Bürgerrechte geschliffen sowie Kontrolle und Überwachung durch Sicherheitsbehörden ausgebaut werden. Aber Angst und Schrecken dürfen nach meiner Überzeugung und auch nach Überzeugung der Piraten nicht die Leitlinien unserer Gesetzgebung werden.

Meine Damen und Herren, das Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, welches von der Großen Koalition in einem Verfahren, das man nicht mehr rechtsstaatlich nennen kann, durch das Berliner Parlament gepeitscht wurde, soll morgen im Bundesrat final bestätigt werden. Mir fehlt hier leider die

Zeit, die einzelnen Punkte der geänderten Gesetze zu erläutern. Aber man kann es so zusammenfassen: Abbau von Schutz und Grundrechten auf allen Ebenen. Es geht um unkontrollierten Datenaustausch mit dem Ausland, präventiven Einsatz von V-Leuten, mehr und längere Speicherung von Daten, schon einmal mit der Überwachung anfangen, bevor ein Richter zugestimmt hat, die Überwachung von Minderjährigen und um die ausschließlich personalisierte Ausgabe von Prepaid SIM-Karten. Damit sollen dieses Mal terroristische

Bestrebungen bekämpft werden. Das Einzige, was damit bekämpft wird, ist unsere offene Gesellschaft und unsere Freiheit. Bei jeder Gelegenheit bringen Sicherheitsesoteriker neue Vorschläge im Kampf gegen den Terrorismus. Aber ich frage Sie: Welche waren bisher wirksam? Hätten die Antiterrorgesetze der letzten 20 Jahre irgendeinen Effekt gehabt, wäre der Terrorismus jetzt ausgerottet. Das Gegenteil ist aber der Fall. Unsere Grundrechte sind löchrig wie ein Schweizer Käse. Erinnern Sie sich an das TFTP – das Terrorist Finance Tracking Programme? Damit sollten die Finanzströme der Terrorfinanzierer weltweit ausgetrocknet werden. Seit 15 Jahren läuft das schon. Was ist das Ergebnis? Der angebliche Islamische Staat bewegt Milliarden über eine eigene Bank und hat keine Probleme beim Waffenkauf. Aber in Deutschland hat jetzt das BAföG-Amt Onlinezugriff auf die Konten der Studenten, um deren Berechtigung zu überprüfen. Ohne Terrorangst hätten die Menschen in Deutschland das nicht mitgemacht, und der Protest wäre lauter gewesen. Meine Damen und Herren, es muss dringend die Notbremse gezogen werden. Die weitere Verschärfung der Registrierungspflicht für SIM-Karten muss gestoppt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Maßnahme ist in keinster Weise geeignet, Terroranschläge zu verhindern. Stattdessen richtet sie sich gegen weite Teile der Bevölkerung. Die nächsten Bedarfsträger stehen schon

Schlange, um die Bestandsdaten und die Vorratsdaten von Millionen von Bürgern auszuwerten. Die Einführung der grundsätzlichen Registrierungspflicht von SIM-Karten ist, falls Ihnen das nicht bekannt ist, ein Produkt der sogenannten Otto-Kataloge aus den Jahren 2003 und 2004. Herr Körfges, Sie werden sich wahrscheinlich erinnern. Das ist auch eines der eilig eingeführten Anti-Terrorpakete der damals rot-grünen Bundesregierung. Die Klagen der Bürgerrechtler gegen das Gesetz haben lange gedauert. Aber in diesem Jahr liegt das Gesetz endlich dem Europäischen Gerichtshof für Menschen rechte zur Prüfung vor.

Statt aber das Urteil über die Zulässigkeit der Zwangsregistrierung abzuwarten, will man in Berlin eilig eine weitere Verschärfung. Hier wird die Überwachung vor die Freiheit gestellt. Der freie Zugang zum Internet ist für einen Men schen eine Voraussetzung, um sein Recht auf Informationsfreiheit und sein Recht auf freie Meinungsäußerung auszuüben. Die Rezipientenfreiheit, das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu informieren – in Deutschland durch Art. 5 Grund gesetz geschützt und garantiert –, wird zur Farce, wenn man sich für jede Suche nach Informationen vorher namentlich mit dem Personalausweis registrieren muss.

Der Registrierungszwang für SIM-Karten in Kombination mit der Vorratsdatenspeicherung stellt eine vollständige Überwachung von Onlineaktivitäten dar. Was das für das Freiheitsgefühl der Menschen zur Folge haben kann, hat eine groß angelegte Untersuchung der Universität Berkeley gezeigt. Die Recherchen von Artikeln in Wikipedia zeigen deutliche Veränderungen, nachdem das Ausmaß der Onlineüberwachung durch die Snowden-Enthüllungen bekannt wurde. Eine solche Entwicklung können und dürfen wir hier nicht zulassen.

(Beifall von den PIRATEN)

Eine freie Gesellschaft braucht auch Freiräume, sonst wird der Kampf gegen den Terror kein Schutz unserer Gesellschaft, sondern eher Gefängnis. Vor diesem Hintergrund und auch vor dem Hintergrund der Verantwortung, die der Landtag für die Menschen in Nordrhein-Westfalen hat, möchte ich Sie alle hier bitten, die Landesregierung dazu aufzufordern, morgen im Bundesrat auf die Einberufung des Vermittlungsausschusses hinzuwirken, um diese Gesetz zu stoppen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

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