Archivierter Live-Stream der Debatte vom Mittwoch, 15. März 2017, auf Facebook, YouTube und Twitter.
I. Sachverhalt
Das Ziel der Landesregierung im Rahmen präventiver Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei ist unter anderem die Reduzierung von Verkehrsunfällen. Dabei hat sich die Verkehrsüberwachung an der Unfallentwicklung und insbesondere an Unfällen mit schweren Folgen auszurichten. Nach Angaben des Innenministeriums NRW ist im Jahr 2014 ein Anstieg der Verkehrstoten zu verzeichnen. Zu den Hauptunfallursachen gehören zu hohe Geschwindigkeit, Alkohol und Drogen am Steuer sowie diverse Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung.
Die Antwort auf die Kleine Anfrage 16/8140 zeigt den Kontrollschwerpunkt der landeseigenen Ermittlungsbehörden auf. Hier werden Drogenfahrten gegenüber Alkoholfahrten viel häufiger zur Anzeige gebracht. So kamen im Jahr 2013 in NRW auf jeden Unfall mit Personenschaden unter Alkoholeinfluss 2,6 Anzeigen. Hingegen auf jeden registrierten Unfall unter Einfluss anderer berauschender Mittel kamen im Jahr 2013 schon 28,6 Anzeigen. Der Ermittlungsdruck bei Drogenfahrten ist demzufolge circa zehnmal höher als bei Alkoholfahrten.
Insgesamt ist die Anzahl der Unfälle mit Personenschaden unter Alkoholeinfluss (2.407 im Jahr 2013) aber ungleich höher, als die Anzahl der Unfälle mit Personenschaden unter Einfluss von anderen berauschenden Mitteln (354 im Jahr 2013) wie aus der Kleinen Anfrage 16/8140 hervorgeht.
Obwohl die Verkehrssicherheit nachweislich insbesondere durch Alkohol am Steuer gefährdet wird, ist für Cannabiskonsumenten die Wahrscheinlichkeit den Führerschein zu verlieren aufgrund falscher Prioritätensetzung sowie unverhältnismäßiger Anwendung von Verwaltungsrecht enorm gestiegen.
Der Entzug der Fahrerlaubnis erfolgt bereits bei erstmaligem Nachweis ab 1,0 ng THC/ml im Blutserum. So ist es durchaus denkbar, dass ein Cannabiskonsument in einer Verkehrskontrolle mit 1,0 ng THC/ml Blutserum getestet wird, der Konsum allerdings Tage zurückliegt und sicher keine akute Beeinflussung der Leistungsfähigkeit mehr vorliegt.
Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat in dem Urteil vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 – festgestellt, dass § 24 a Abs. 2 Satz 1 und 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) verfassungsgemäß ist. So handelt ordnungswidrig, wer unter Wirkung von Cannabis im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Ausschlaggebend für die Verhängung einer Ordnungswidrigkeit ist demzufolge die Wirkung eines berauschenden Mittels und nicht deren Nachweis.
Die Grenzwertkommission, eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, die die Bundesregierung berät und von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Gesellschaft für Forensische und Toxikologische Chemie gegründet worden ist, empfiehlt einen Grenzwert von 3,0 ng THC/ml Blutserum. Danach liegt also eine Wirkung auf einen Betroffenen ab 3,0 ng THC/ml Blutserum vor. Somit ist die Verhängung von Ordnungswidrigkeiten beim schlichten Nachweis von bis zu 2,9 ng THC/ml Blutserum gemäß dem BVG-Urteil von 2004, wonach eine Wirkung festgestellt werden muss, verfassungswidrig.
Ungeachtet der wissenschaftlichen Erkenntnisse und des BVG-Urteils unterstellen die Verwaltungsbehörden dem Verkehrsteilnehmer ein „fehlendes Trennungsvermögen“, wenn sie von einem erstmaligen Nachweis von 1,0 ng THC/ml im Blutserum Kenntnis erhalten, was zum sofortigen und völligen Verlust der Fahrerlaubnis nach Verwaltungsrecht führt.
Im Gegensatz dazu wird der erstmalige Alkoholverstoß im Straßenverkehr (mehr als 0,5 Promille Blutalkoholkonzentration BAK) nach Gesetzeslage mit Bußgeld und einem einmonatigen Fahrverbot geahndet. Den Betroffenen wir nach dem ersten Alkoholverstoß kein „fehlendes Trennungsvermögen“ unterstellt. Selbst Zweifel an der Trennungsbereitschaft, die die Anordnung einer medizinisch psychologischen Untersuchung (MPU) zur Folge hätte, werden seitens der Verwaltungsbehörde erst nach dem zweiten Verstoß festgestellt. Ein Entzug der Fahrerlaubnis erfolgt hier regelhaft erst dann, wenn das geforderte Gutachten nicht eingereicht oder für den Betroffenen negativ ausfällt.
Die obersten Landesbehörden sind nach §73 und §74 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) für die Fahrerlaubnisbehörden zuständig. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Führerscheinstellen die verwaltungsrechtlichen Normen der Fahrerlaubnisverordnung und deren Anlage korrekt auslegen.
II. Der Landtag stellt fest:
- Alkohol am Steuer gehört zu den häufigsten Unfallursachen und gefährdet die Verkehrssicherheit erheblich.
- Der niedrige Ermittlungsdruck bei Alkoholfahrten im Vergleich zu Cannabisfahrten wirkt sich direkt auf die Anzahl der Unfälle unter Alkoholeinfluss aus und gefährdet somit die Verkehrssicherheit.
- Die Diskriminierung von Cannabiskonsumenten auf Kosten der Verkehrssicherheit ist unverantwortlich.
- Ohne konkrete und erwiesene Gefährdungskonstellation werden Grundrechte (Gleichbehandlungsgrundsatz) ausgehebelt und Cannabiskonsumenten diskriminiert.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf
- den Runderlass „Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei NRW“ dahingehend umzusetzen, dass die Ermittlungsbehörden den Ermittlungsdruck bei Alkoholfahrten erhöhen, um die Verkehrssicherheit nicht zu gefährden.
- per Runderlass die Fahrerlaubnisbehörden anzuweisen die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) wie folgt anzuwenden: Erst nach wiederholtem Nachweis im Straßenverkehr von 3,0 ng THC/ml Blutserum oder mehr ist eine MPU gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 FeV anzuordnen. Die Feststellung „fehlendes Trennungsvermögen“ gemäß Anlage 9.2.1 ist analog zu Alkohol erst dann zu treffen, wenn die Trennungsbereitschaft nicht über das angeordnete MPU-Gutachten nachgewiesen werden kann.
- sich im Bundesrat für die Änderung von § 14 und Anlage 4 der FeV einzusetzen. Mit der Änderung von § 14 und der Anlage 4 der FeV soll eine Angleichung der Maßstäbe im Umgang mit Cannabis- und Alkoholkonsumenten im Straßenverkehr erreicht werden. Eine verkehrsunabhängige Überprüfung der Fahreignung soll gewahrt bleiben, wenn Tatsachen die Annahme einer Abhängigkeit (ICD10) oder eines Missbrauchs (DSM IV) begründen.
- sich im Bundesrat für die Änderung der Anlage zu § 24a StVG einzusetzen. Mit der Änderung soll den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in Bezug auf die akute Wirkungsdauer von Cannabis Rechnung getragen werden. So treten Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit bei circa 5 ng THC/ml Blutserum auf, die mit denen zu vergleichen sind, die bei etwa 0,5 Promille BAK auftreten. Dieser Cannabisgrenzwert von 5 ng THC/ml Blutserum soll explizit in die Anlage zu §24a StVG aufgenommen werden.
- den Ausbau der Forschungsvorhaben zum Gefahrenpotenzial von Betäubungsmitteln im Straßenverkehr voranzutreiben.
- sich für die Aktualisierung des Unterrichtsstoffes in den Fahrschulen insbesondere bezüglich der Auswirkungen von Mischkonsum auf die Fahrtauglichkeit einzusetzen.
- sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass ein bundeseinheitliches Verfahren zur toxikologischen Bestimmung der Konsumfrequenz eingeführt wird.
Wer in der Lage ist ein Kfz sicher im Straßenverkehr zu bewegen ohne einen Unfall zu verursachen noch auffällig zu fahren der sollte nicht vom Straßenverkehr ausgeschlossen werden nur weil er am Tag zuvor Cannabis konsumiert hat es wird ja auch niemand der am Vortag ein Bier trinkt als unter Alkohol stehender Fahrer bezichtigt.
Gruß aus Köln
Schluss mit der Kriminalisierung!
Leider wird in den Gutachten gelogen, dass sich die Balken biegen. Cannabis Patient bestand sogar unter Einfluß seiner Medikamente alle fünf Tests mit Bravour. (bestanden gelten Punktzahlen zwischen 40 und 60 Punkten) Er hatte alle Werte sogar zwischen 53 und 63 Punkten. Also war sicherer als mancher Rentner unterwegs. Trotzdem Führerschein weg, weil sie einfach ohne auch nur den geringsten Beweis anhand seiner Blutwerte vorzulegen anderweitigen Drogenkonsum möglicherweise in den Raum stellte. Ein Skandal – und niemand kann gegen diese Gutachter vorgehen. Reine Gelddruckmaschine und kriminell das Ganze.