Urteil des Bundesverfassungsgericht sofort umsetzen. Akkreditierung rechtssicher gestalten und staatliche Verantwortung für die Hochschulen endlich wahrnehmen

20. April 2016, TOP 12, ca. 18.15 Uhr

Drucksache 16/11690

I. Ausgangslage

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 17.Februar 2016 eine Grundsatzentscheidung über einen Mangel an hinreichender gesetzlicher Steuerung im Hochschulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Frage der Akkreditierung von Studiengängen getroffen.

So stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Regelungen über die Akkreditierung von Studiengängen des Landes Nordrhein-Westfalen, wonach Studiengänge durch Agenturen „nach den geltenden Regelungen“ akkreditiert werden müssen,  mit dem Grundgesetz (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbar sind. Der Erste Senat hatte dies in einem Verfahren der konkreten Normenkontrolle auf Vorlage des Verwaltungsgerichts Arnsberg entschieden. Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit steht zwar Vorgaben zur Qualitätssicherung von Studienangeboten grundsätzlich nicht entgegen.

Der Gesetzgeber dürfe jedoch inhaltliche und verfahrens- und organisationsbezogene Anforderungen an eine Akkreditierung nicht aus der Hand geben, sondern habe hinreichende gesetzliche Vorgaben zu machen.

Wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung von Studiengängen darf der Gesetzgeber jedoch nicht anderen Akteuren überlassen, sondern müsse sie unter Beachtung der Eigenrationalität der Wissenschaft selbst treffen.

Das Gericht fordert die Landesgesetzgeber auf, verfassungskonforme Regelungen mit Wirkung spätestens vom 1. Januar 2018 an zu treffen.

Weiter urteilt das Gericht, § 72 Absatz 2 Satz 6 und § 7 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung des Hochschulfreiheitsgesetzes vom 31. Oktober 2006 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 2006, Seite 474) sowie § 73 Absatz 4 und § 7 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2014 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 2014, Seite 547) sind mit Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes unvereinbar.

Die Akkreditierung ist mit schwerwiegenden Eingriffen in die Wissenschaftsfreiheit verbunden, die der Gesetzgeber nicht anderen Akteuren überlassen darf. Um dem Gesetzesvorbehalt zu genügen, muss er dafür die notwendigen gesetzlichen Vorgaben selbst treffen.

Auch durch die sog. Weiterentwicklung des Hochschulfreiheitsgesetzes in das sog. Hochschulzukunftsgesetz wurde es versäumt, die Akkreditierungsagenturen, wie bei den freischwebenden, niemand verantwortlichen Hochschulräten mit den nötigen staatlichen Kontrollen zu belegen und sie weiter unter dem Prinzip „Kontrolle ohne Verantwortung“ bewegen zu lassen. Es besteht in den aktuellen gesetzlichen Regelungen zur Qualitätssicherung der Lehre ein „Mangel an hinreichender gesetzlicher Steuerung“.

II. Der Landtag stellt fest

  • Der Landtag hat die Normierung inhaltlicher und verfahrens- und organisationsbezogener Anforderungen an die Akkreditierung faktisch aus der Hand gegeben und auch die Gesetzesnovelle nicht zur Abhilfe genutzt.
  • Ähnlich wie bei den Akkreditierungsagenturen stellen auch die Mitwirkungs- und Aufsichtsrechte der Hochschulräte einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit dar. Auch hier ist die hinreichende Teilhabe der Wissenschaft selbst nicht durch den Gesetzgeber garantiert und der Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen nicht gewährleistet.
  • Das geltende Hochschulgesetz in NRW ist mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar, da der Gesetzgeber wesentliche Entscheidungen über die Qualitätssicherung der Lehre, aber auch über den Schutz der Wissenschaftler/innen vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen im Wissenschaftssystem weitgehend anderen Akteuren überlassen und unter Beachtung der Eigenrationalität der Wissenschaft nicht selbst getroffen hat.
  • Der Schutz der Wissenschaftsfreiheit wird den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durch das Hochschulzukunftsgesetz nicht garantiert.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf

  • dem Landtag unverzüglich eine Gesetzesnovelle vorzulegen, die diese verfassungswidrigen Missstände beseitigt.
  • analog zur Regelung der Verfassungsmäßigkeit der Akkreditierungsagenturen auch die mit Entscheidungsbefugnissen im Wissenschaftssystem ausgestatteten Hochschulräte im Lichte dieses Urteils erneut zu prüfen und nötige Korrekturen und die nötigen Korrekturen in die Gesetzesnovelle einzuarbeiten.

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