Mittwoch, 24. Juni 2015
Top 5. Nordrhein-Westfalen muss hessische Bundesratsinitiative zur Schaffung eines neuen Straftatbestandes für tätliche Angriffe auf Polizeibeamte und andere Einsatzkräfte unterstützen!
Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8979
Unser Redner: Dirk Schatz
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Ausschussüberweisun
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Protokoll der Rede von Dirk Schatz
Dirk Schatz (PIRATEN): Vielen Dank. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Herr Körfges, Herr Wedel, wenn man als Letzter oder fast Letzter spricht, hat man das Problem, dass sich Reden eventuell überschneiden. Bei uns wird es fast so klingen, als hätten wir uns abgesprochen. Haben wir aber nicht.
Es ist ein wichtiges Thema, das die CDU in ihrem Antrag anspricht, keine Frage. Ich persönlich halte es das betone ich ausdrücklich für genauso wichtig wie den umgekehrten Fall, nämlich rechtswidrige Übergriffe von Polizeibeamten. Das ist für mich kein Unterschied. Deshalb ist es aus meiner Sicht gut und wichtig, darüber zu reden und die Debatte aufrechtzuerhalten. Schlecht ist allerdings, wie es die CDU wieder mal versucht. Wie lange ist es her, dass Sie das das letzte Mal versucht haben, bei diesem wichtigen Thema mit purer Effekthascherei einen großen öffentlichen Aufschrei zu erregen? Wir hatten das Thema erst vor Kurzem. Die Anhörung dazu ist nicht einmal ein Dreivierteljahr her, bei der Ihnen die Experten eindeutig gesagt haben, dass höhere Strafen bei diesem Thema absolut gar nichts bringen. Okay, zugegeben, Sie haben das Thema ein klein wenig abgeändert und andere Nuancen hineingebracht. Das macht es in der Sache aber nicht richtiger.
(Hans-Willi Körfges [SPD]: Im Gegenteil!)
Eine Sache muss ich Ihnen aber zugestehen; da hatten Sie mir bei meiner damaligen Rede zu Ihrem Antrag „Gewalt gegen Polizeibeamte ist kein Kavaliersdelikt“ anscheinend zugehört. Denn da habe ich gesagt: Ich bekomme langsam das Gefühl, dass Sie eine Art Sonderstrafrecht für Gewalt gegen Polizeibeamte wollen, weil ein Angriff gegen Polizisten Ihrer Meinung nach ein höheres Unrecht darstellt, als wenn derselbe Angriff auf einen normalen Menschen erfolgen würde. Darüber kann man sicherlich diskutieren, auch wenn man im Ergebnis anderer Meinung ist. Aber dann seien Sie wenigstens ehrlich und sprechen es offen aus!
Glückwunsch, Sie haben dazugelernt. Diesmal sprechen Sie es offen aus. Das ist auf eine Art löblich, ändert aber nichts daran, dass ich im Ergebnis anderer Meinung bin. Denn zum einen stellt diese Form der Gewalt, aus philosophischer Sicht gesprochen, für mich kein höheres Unrecht dar. Zum anderen wird das, was Sie hier fordern, aus rein sachlicher Sicht gesprochen, im Ergebnis nichts bringen. Es wird im Gegenteil vor allem die Menschen besonders schlimm treffen, die Sie mit diesem Antrag eigentlich gar nicht treffen wollen. Aber so weit denken Sie ja nicht. Hauptsache, man kann damit Stimmen fangen.
Ich möchte Ihnen gern erklären, was ich meine. Schauen wir uns dazu Ihren Antrag an! Fangen wir ganz oben an! Dort schreiben Sie direkt im ersten Satz: Eine Schneise der Verwüstung wurde gezogen. Dabei wurden 150 Polizeibeamte verletzt, einige davon schwer. 80 von ihnen wurden mit ätzendem Reizstoff attackiert.
Weiter unten im Beschlussteil heißt es:
„Reizgasangriffe, Stein- und Flaschenwürfe auf Polizeibeamte, brennende Streifenwagen und Straßenbarrikaden haben mit Demonstrationsfreiheit nichts mehr zu tun.“
Den letzten Satz kann ich genauso, wie er dort steht, unterschreiben. Natürlich sind 150 verletzte Polizeibeamte 150 zu viel. Natürlich müssen die Täter mit allen rechtsstaatlich möglichen Mitteln zur Rechenschaft gezogen werden. Ich denke, darüber besteht im Haus überhaupt kein Dissens.
Aber Sie machen schlichtweg einen groben sachlichen Fehler, wenn Sie diese schwerwiegenden Szenarien, die Sie in Ihrem Antrag zitieren, mit dem Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs in Verbindung bringen. Das ist einfach nur fahrlässig. Denn die Täter, die das gemacht haben, was Sie in Ihrem Antrag beschreiben, werden auch heute schon schwer genug bestraft völlig zu Recht. Vor allem muss es dafür, dass ein tätlicher Angriff im Sinne des Strafgesetzbuches vorliegt, nicht einmal im Ansatz so weit kommen, wie Sie es in Ihrem Antrag beschreiben. Diesen Fehler machen Sie in Ihrem Antrag.
Wissen Sie eigentlich, was ein tätlicher Angriff ist? Es wurde gerade schon mehrfach erwähnt. In Ihrem Antrag definieren Sie das zumindest teilweise, aber nur so weit, wie es Ihren Zwecken dient. Den wichtigen Teil lassen Sie weg.
Unter einem tätlichen Angriff versteht man nämlich jede in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung. Jetzt der wichtige Teil, den Herr Wedel gerade schon erwähnt hat: Zu einer Körperberührung oder einem Verletzungserfolg muss es dabei nicht kommen.
Überlegen wir doch mal, was das in der Praxis bedeuten wird. Nehmen wir mal an, ich komme in eine Situation mit einem Polizeibeamten und mache dann aus welchen Gründen auch immer eine abwehrende Armbewegung: beispielsweise so.
(Der Redner macht eine Bewegung mit dem Arm.)
Ich verletze den Beamten dabei nicht, ich berühre ihn nicht einmal. Die Bewegung ist aber schon ganz gezielt gegen den Beamten gerichtet. Dass ich das mache, mag in dieser Situation vielleicht falsch sein, das mag vielleicht sogar strafrechtlich relevant sein, keine Frage. Aber jetzt überlegen Sie mal ganz genau: Wollen Sie einen Menschen tatsächlich für eine solche Bewegung, ohne dass er dabei jemanden verletzt oder gar berührt hat, für ein halbes Jahr ins Gefängnis stecken?
Das ist nur ein Beispiel. Herr Körfges hat gerade ein anderes Beispiel genannt. Ich denke, die Realität wird noch eine Fülle weiterer Beispiele hervorbringen, die die Unverhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zum Vorschein bringen. Wenn das Ihrem Rechtsstaatverständnis entspricht, einen Menschen wegen derart lapidarer Dinge das möchte ich mit diesem Begriff nicht verharmlosen für ein halbes Jahr der Freiheit zu berauben, dann habe ich, ehrlich gesagt, keine Ahnung, was Sie in diesem Hause machen. Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN Vereinzelt Beifall von der SPD)
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