Dietmar Schulz zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer

Mittwoch, 05. November 2014

 

Top 6. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/7147
in Verbindung damit
Keine weitere Erhöhung der Grunderwerbsteuer zu Lasten junger Familien
Antrag der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7170
MdL Dietmar Schulz | Foto Tobias M. EckrichUnsere Redner: Dietmar Schulz
Abstimmungsempfehlung: Überweisung in die Ausschüsse
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Protokoll der Rede von Dietmar Schulz

Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank. Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Wir reden hier über eine 30%ige Steuererhöhung im Bereich der Grunderwerbsteuer, vorgetragen von Rot-Grün.

Jetzt könnte man, Herr Kollege Lindner oder Herr Kollege Möbius, natürlich fragen: Ja, was passiert hier eigentlich? Springen jetzt die regierungstragenden Fraktionen ihrem Finanzminister ins Kreuz oder helfen sie ihm, oder was passiert hier eigentlich vor dem Hintergrund des Umstandes, dass der Finanzminister dieses Landes im Verlaufe des ganzen Jahres immer wieder betont hat, dass die Bemühungen des Landes zur Konsolidierung des Haushalts auch unabhängig von der Frage der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in Münster auf einem guten Weg seien und man auch auf einem guten Weg zur Konsolidierung des Haushalts auch ohne solche Steuererhöhungspläne sei?

Jetzt können Sie natürlich, liebe Fraktionen von SPD und Grünen, schlecht Ihren Minister einen Gesetzentwurf nach vorne tragen lassen, der immer gesagt hat: Nein, solche Pläne gibt es nicht. Vielleicht hat er ja von den Plänen nichts gewusst, die Sie möglicherweise die ganze Zeit schon in der Schublade hatten. Fakt ist jedenfalls, dass diese Pläne jetzt hier schwarz auf weiß vorliegen und zu nichts anderem führen als zu der äußerlichen Annahme, dass die Landesregierung und auch die sie tragenden Fraktionen im Hinblick auf die Haushalts- und Finanzpolitik des Landes von permanenter Panik getrieben sind Panik, die, was die Konsolidierung des Haushaltes angeht, offenbar der Erkenntnis folgt, dass die Haushaltssperre, aus deren Folgen im Moment nicht mehr herausgekommen ist als Wassertrinken in der Staatskanzlei und eine Erhöhung der globalen Minderausgabe um 100 Millionen €, nicht ausreicht, um die Defizite und die Fehlkalkulationen in der Haushaltspolitik auszugleichen.

(Reiner Priggen [GRÜNE] schüttelt den Kopf.)

Selbstverständlich! Schütteln Sie ruhig mit dem Kopf, Herr Priggen. Fakt ist jedenfalls, dass der Kollege Römer in der Presseerklärung zur Begründung dieser Grunderwerbsteuerinitiative gesagt hat, dass damit der Haushalt konsolidiert werden soll. Das haben Sie so gesagt. Mit einer Mehreinnahme von schätzungsweise 400 Millionen € es können ein paar Euro mehr sein, es können ein paar weniger sein; das hängt davon ab, wie viele Grundstücke, Gebäude, Wohnungen gekauft werden soll also das Defizit dieses Landes, welches überwiegend struktureller Natur ist, ausgeglichen werden. Etwas, was auch konjunkturell abhängig ist, soll etwas strukturell Defizitäres ausgleichen und das nicht nur in diesem Jahr,

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

nicht nur im nächsten Jahr, sondern natürlich à la longue, also über die nächsten x Jahre. Jedes Jahr sollen 400 Millionen Mehreinnahmen in den Landeshaushalt fließen. Wenn wir das einmal nachrechnen, zeigt sich, dass damit die Mehrausgaben im Bereich der Beamtenbesoldung annährend ausgeglichen sein können. Mehr ist es nämlich nicht. Das heißt, diese strukturellen Mehrausgaben strukturell natürlich dann bei der Grunderwerbsteuer werden durch die Mehreinnahmen kompensiert, aber eine Konsolidierung des Haushalts und somit ein Abbau des strukturellen Defizits insgesamt wie auch der Nettoneuverschuldung finden dadurch auf keinen Fall statt.

Ich frage mich, wem Sie das vor dem Hintergrund der Behauptung, dass diese Grunderwerbsteuererhöhung eine Konsolidierung des Landeshaushalts bedeuten wird, vorrechnen wollen. Ich bin gespannt, wie das in den Beratungen begründet werden wird. Diese Beratungen beginnen hier und heute. Bereits morgen findet eine Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses statt, in der ganz schnell die Anhörung durchgezogen werden soll, damit das Gesetz …

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE] und Marc Herter [SPD]: Nein, beschlossen!)

Ja, okay, beschlossen werden soll, damit sie alsbald durchgezogen werden kann.

(Marc Herter [SPD]: Details, Details!)

Somit kann das Gesetz noch in diesem Jahr durchgepeitscht werden, damit es in der Vorweihnachtszeit möglichst unter dem Radar der Bevölkerung durchfliegt. Denn die Bürger müssen zusehen, dass sie die Geschenke noch einigermaßen zusammenbekommen. Denn nächstes Jahr können sie sich diese aufgrund der Rechenbeispiele, die hier genannt werden, möglicherweise nicht mehr leisten. So sieht es nämlich unter dem Strich aus.

Jetzt kommt noch Folgendes hinzu: Ich verstehe es, wenn die regierungstragenden Fraktionen keine anderen Ideen haben, als in genau diesem Bereich die Steuern zu erhöhen. Dann frage ich mich aber, liebe SPD und liebe Grünen: Wo bleibt eigentlich die letztes Jahr von Ihnen so großartig und vollmundig angekündigt Initiative, die Steuerschlupflöcher zu schließen?

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Wir?)

Ja, Sie. Den Antrag haben wir vorliegen. Das wurde hier im Parlament beschlossen. Wo bleiben denn die Bemühungen um das Schließen der Lizenzboxenmöglichkeit? Bleiben wir einmal themenbezogen:

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wo bleiben denn Ihre Bestrebungen, im Bund oder auf Landesebene Ausnahmen zu schaffen, von mir aus auch sozialgerecht? Wo bleiben bitte schön Ihre Bemühungen auf Bundesebene, nach dem Grunderwerbsteuergesetz entsprechende Schlupflöcher zu schließen, die die Möglichkeiten von RETT-Blocker-Systemen, grunderwerbsteuerneutralen Share Deals etc. verbauen? Nichts dergleichen ist zu hören. Nirgendwo im Land hört man von der SPD oder von den Grünen irgendwelche Bestrebungen dieser Art.

Solange das so ist, können wir nur sagen: Ob die Grunderwerbsteuer vonseiten der Landesregierung zur Rettung des Abendlandes und des Landes Nordrhein-Westfalen nun um 1 %, 1,5 % oder 2 % angehoben werden soll, mag am heutigen Tag dahingestellt sein. Fakt ist jedenfalls: Eine Einnahmenverbesserung in maßgeblicher Art und Weise findet hierdurch nicht statt. Was hier jedoch sehr wohl stattfindet, ist die Erkenntnis der Bürger, dass diese Landesregierung zu nichts anderem in der Lage ist, als gerade diejenigen, die es sich tatsächlich nur schwerlich leisten können, zusätzlich zu belasten, ohne die Großinvestoren tatsächlich zu belasten. Fangen Sie doch erst einmal an, die großen Investoren auf dem Immobiliensektor so zu besteuern, dass es zu einer Besteuerung in dieser Art und Weise nicht mehr kommen muss. Fangen Sie an, beim Grunderwerbsteuergesetz auf der Bundesebene initiativ zu werden. Wenn wir dort sind, können wir vielleicht auch über eine allgemeine Grunderwerbsteuererhöhung in Nordrhein-Westfalen reden. Denn dann können so viele Ausnahmen zulasten der Investoren, der sogenannten Immobilienhaie etc., geschaffen werden, dass die Diskussion, die in den nächsten Wochen hier stattfinden wird, in dieser Weise nicht stattfinden müsste. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schulz. Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Dr. Norbert Walter-Borjans.

Veröffentlicht unter Bauen, Wohnen und Verkehr (A02), Dietmar Schulz, Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden

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