Dietmar Schulz zu zweitem Gesetz zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes

Mittwoch, 27. November 2013

 

TOP 4. Zweites Gesetz zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes

Gesetzentwurf der   Landesregierung
Beschlussempfehlung Ausschusses für Kommunalpolitik

Entschließungsantrag des fraktionslosen Abg. Stein

Drucksache 16/4485

Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN

Drucksache 16/4492

2. Lesung
Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung

Landesregierung muss vollständig   auf Kommunal-Soli verzichten – „Zwangs-Soli“ gefährdet die kommunale   Selbstverwaltung

Antrag der   Fraktion der CDU
Direkte Abstimmung
Unsere Abstimmungsempfehlung: Enthaltung
Unser Redner: Dietmar Schulz
Audiomitschnitt der Rede von Dietmar Schulz anhören

Audiomitschnitt der Rede von Dietmar Schulz als Download


Protokoll der Rede von Dietmar Schulz:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal – es sind einige wenige – und vor dem Stream zu Hause!

(Zurufe von der CDU)

Was hier gerade geboten worden ist, ist natürlich fast schon nicht zu überbieten. Ein Applausometer wäre vielleicht an dieser Stelle gar nicht schlecht. Aber es geht ja um den Stärkungspakt bzw. das Zweite Gesetz zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes und einen Änderungsantrag dazu.

Allein der Änderungsantrag macht dieses Zweite Gesetz zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes nach unserer Auffassung zu einer Mogelpackung. Hier wird viel Ideologie verbreitet, insbesondere von den die Regierung tragenden Fraktionen. Es wird nicht ausgeführt, dass durch diese Änderung in Wahrheit nur der Kreditgeber für solche Gemeinden ausgewechselt wird, die sich selbst diese Umlage, auch in der verkürzten Version, nicht leisten können. Anstelle von Banken und Sparkassen kreditiert im Prinzip das Land. Das geht explizit aus der Begründung des Änderungsantrags hervor.

Das Zweite Gesetz zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes wird aus gutem Grund von den meisten beteiligten bzw. – so muss man sagen – betroffenen Kommunen bereits bei der Einbringung für verfassungswidrig gehalten. Auch der jetzt vorliegende Änderungsantrag verbessert das Bild nur scheinbar. Er erweckt den Eindruck, dass durch eine Halbierung der Lasten der sogenannten abundanten Kommunen diesen ein Gefallen getan werden soll. Das Gegenteil ist und bleibt der Fall.

Wenn man zum Beispiel die Stadt Haan betrachtet – es wurden viele Beispiele angeführt; ich nehme jetzt einmal die Stadt Haan, die zu den abundanten Gemeinden zählt –, stellt man fest, dass diese die Abundanzumlage, wie kürzlich ausgeführt worden ist, nur über Kassenkredite zu finanzieren in der Lage ist. Das muss man sich einmal vorstellen.

Es werden durch die Vorhaben der Landesregierung Kommunen mit prekären Haushalten, die sich teilweise bereits im Haushaltssicherungskonzept befinden, in die weitere Verschuldung getrieben. Das ist ganz klar. Das Gegenteil ist bis heute nicht belegt.

Wenn wir, die Opposition – in diesem Fall die Piraten –, die nach dem Stärkungspaktgesetz verpflichtenden Berichte anfordern, erleben wir beim Kommunalminister Jäger Abwehrbemühungen, die nicht anders als mit dem berühmt-berüchtigten Begriff „mauern“ zu bezeichnen sind, so wie es letzte Woche im Ausschuss geschehen ist oder aber durch die Nichtbeantwortung unserer diesbezüglichen Anfrage mit dem Verweis darauf, es handele sich um laufende Verwaltungsvorgänge. Man fragt sich – und wir fragen den Minister –, warum er sich beharrlich weigert, diese Prüfberichte der in Rede stehenden Kommunen herbeizuschaffen und uns vorzulegen.

(Beifall von den PIRATEN)

Diese sind nämlich erforderlich – das haben Sie im Ausschuss letzte Woche deutlich gesagt –, um eine Einzelfallbetrachtung der betroffenen Kommunen durchzuführen und festzustellen, ob und inwieweit die Wirkweise hier gegeben ist und wie stark die betroffenen Kommunen tatsächlich in den Wirkungsbereich einbezogen sind. Wenn Sie die Berichte haben, dann legen Sie sie vor. Sie haben aber gesagt, Sie haben sie nicht. Wenn Sie sie nicht haben, fragt man sich, warum nicht. Wollen Sie den betroffenen Kommunen nicht die Daumenschrauben anlegen oder was auch immer? – Wir wissen es nicht.

Eines steht jedenfalls nicht zuletzt aufgrund der letztwöchigen Sitzung des Kommunalausschusses fest: Ausschließlich die Einzelfallbetrachtung ist relevant und führt zu einer klaren Sicht auf die Verhältnisse, nämlich auf die Wirkweise des Stärkungspakts Stufe zwei und die möglichen Auswirkungen der Abundanzumlage.

Geschieht dies nicht, legen Sie die Berichte also nicht vor, sehr verehrter Herr Minister, müssen wir davon ausgehen, dass Sie die Kommunen und die Opposition weiterhin nicht ernst nehmen und dass Sie weiter mauern wollen. Deshalb sehen wir es als unerlässlich an, unseren Entschließungsantrag anzunehmen und ihm zu folgen. Wir empfehlen dies im Übrigen auch in diesem Hohen Haus.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit und vor allem für die Verfassungsmäßigkeit der Abundanzumlage ist nämlich Vertrauen. So, wie das hier vorgeführt wird, wird ein solches Vertrauen aber nicht geschaffen. Das hat auch heute zahlreiche Demonstranten vor die Türen und Tore des Hohen Hauses gerufen.

Die Zwischenrufe aus der SPD-Fraktion freuen mich ganz besonders. Ich habe sie hier die ganze Zeit verfolgt. Da muss ich Ihnen ganz ehrlich noch eines sagen: Wenn es so weit geht, dass sogar Vertreter von Spitzenverbänden der Kommunen angegangen und – man muss es wohl so sagen – persönlich massiv kritisiert und regelrecht eingeschüchtert werden, weil sie

(Lachen von der SPD)

– ja, ja – bestritten haben, dass die Stärkungspaktziele erreicht werden, was überhaupt eine weitere Voraussetzung ist, dann muss ich mich doch ernsthaft wundern.

Insgesamt wird man abschließend sagen können: Das Änderungsgesetz ist abzulehnen. Es ändert nichts an dem bestehenden Desaster der betroffenen prekär wirtschaftenden Kommunen, sondern verstärkt den Ansatz zur Verschlechterung der Haushaltslage weiterer Kommunen, die als abundant gelten und als Geberkommunen quasi in Geiselhaft genommen werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Veröffentlicht unter Dietmar Schulz, Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden

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