Mittwoch, 24. April 2013
TOP 9. Fragestunde
In der letzten Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 14.03.2013 hat sich das Finanzministerium zu den Fragen der Piraten geäußert. Dabei sind mehrere widersprüchliche Aussagen getroffen worden. Die wichtigste Frage im Zusammenhang mit dem THTR 300 blieb dabei unbeantwortet. Die Unstimmigkeiten in Bezug auf den Rahmenvertrag zwischen dem Bund, dem Land NRW und der HKG GmbH konnten nicht geklärt werden. Wir Piraten fordern eine Reduzierung der Zahlungen an die HKG GmbH. Gleichzeitig beruft der Finanzminister sich auf vertragliche Bedingungen, die eine solche Reduzierung unmöglich machen. Wir bezweifeln dies, da die Verhandlungen über die dritte Ergänzungsvereinbarung noch nicht abgeschlossen und seitens der Vertragspartner unterschrieben sind. Zudem weist die Bilanz der HKG eine uns nicht nachvollziehbare Forderung aus, die wir vom Finanzminister im Detail dargelegt bekommen wollen.
In der Bilanz der HKG GmbH stehen „Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände“ in Höhe von 626.284.000 € zum Stichtag 31.12.2011 aktiv zu Buche. Gleichzeitig existieren „Rückstellungen“ in etwa ähnlicher Höhe. Hieraus folgt die Frage:
Welche Forderungen bestehen seitens der HKG GmbH oder deren Gesellschafter gegenüber dem Land NRW, welche nicht im Haushaltsplan ausgewiesen sind?
Ich bitte Herrn Minister Dr. Walter-Borjans um Beantwortung dieser Frage.
(Unruhe)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben gerade mit der Fragestunde begonnen. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Ansonsten bitte ich, dringend notwendige Gespräche draußen zu führen.
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der THTR in Hamm-Uentrop ist seit dem Jahr 1988 abgeschaltet und befindet sich seit dem Jahr 1997 in sicherem Einschluss. Der sichere Einschluss ist atomrechtlich genehmigt. Ein Rückbau der Anlage ist vorläufig nicht vorgesehen. Daraus folgt, dass der Betrieb des sicheren Einschlusses fortgesetzt werden muss.
Die zweite Ergänzungsvereinbarung zum Rahmenvertrag über die geordnete Restabwicklung des THTR endete im Jahr 2009. Seitdem verhandelt das Land mit dem Bund, der Betreibergesellschaft und den Gesellschaftern über eine neue Ergänzungsvereinbarung, mittlerweile die dritte Ergänzungsvereinbarung.
Der Entwurf zur dritten Ergänzungsvereinbarung wurde im Februar ausverhandelt. Zurzeit werden die Zustimmungen der Gremien eingeholt. Der Entwurf der Vereinbarung sieht eine Laufzeit bis zum Jahr 2022 vor. Sofern die Vereinbarung von allen Vertragsparteien akzeptiert und unterzeichnet wird, sieht sie vor allem Zahlungsverpflichtungen für die Endlagervorausleistungen vor. Im Haushalt 2013 sind die zu erwartenden Endlagervorausleistungen für die Jahre 2010 bis 2013 etatisiert. Das liegt daran, dass auch für 2010 bis 2012 eine Veranschlagung im Haushaltsplan notwendig war, weil die zweite Ergänzungsvereinbarung nur eine Laufzeit bis zum Jahre 2009 hatte und die Zahlung für die Endlagervorausleistungen für die Jahre 2010 bis 2012 voraussichtlich im Haushaltjahr 2013 erfolgen werden.
Daneben wird für die Endlagervorausleistungen eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 32,2 Millionen € für die Jahre 2014 bis 2022 ausgebracht. Mit diesen Jahresbeträgen werden die prognostizierten zukünftigen Endlagervorausleistungen dargestellt, die nach dem Entwurf der dritten Ergänzungsvereinbarung auf das Land entfallen. Der Bund und die Gesellschafter der Betreibergesellschaft werden neben dem Land ebenfalls zu je einem Drittel die Endlagervorausleistungen erbringen.
Weitergehende Haushaltsansätze sind nicht erforderlich, da der Betrieb des sicheren Einschlusses und die Kosten für den Salzgitterfonds bis zum Ende der Laufzeit des Entwurfs der dritten Ergänzungsvereinbarung im Jahr 2022 nach derzeitigen Kenntnissen aus noch vorhandenen Mitteln der Betreibergesellschaft finanziert werden können.
Hiervon zu unterscheiden ist die Erfassung der möglichen Kosten in der Bilanz der Betreibergesellschaft. Gemäß der zum 31. Dezember 2011 vorliegenden Bilanz der Betreibergesellschaft betragen die Rückstellungen mit dem Titel „Entsorgung Kernenergiebereich“ insgesamt ca. 667 Millionen €. Diese Rückstellungen umfassen die Aufwendungen für den Betrieb des sicheren Einschlusses bis zum Jahr 2035, die Kosten der Zwischenlagerung bis zum Jahr 2055, die Ausgaben für den Salzgitterfonds bis zum Jahr 2058 und die Endlagerkosten bis zum Jahr 2080 sowie die geschätzten Kosten des Rückbaus der Jahre 2023 bis 2044.
Das ist im Augenblick zu Ihrer Frage zu sagen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir in der Zwischenzeit einen sehr umfangreichen Fragenkatalog, den Sie mir vorgelegt haben, auf schriftlichem Weg beantwortet haben.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister, für die Beantwortung der Anfrage. – Als Nächster hat sich auf dem Platz des Kollegen Schatz Herr Kollege Schulz gemeldet.
Ich darf für das Präsidium noch mal den Wunsch äußern, dass Sie möglichst auf Ihrem Abgeordnetenplatz sitzen, wenn Sie sich an der Fragestunde beteiligen. Sonst ist es für das Präsidium bei 237 Abgeordneten sehr schwierig, den richtigen Abgeordneten schnell zu erkennen.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Schulz.
Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte, um die Sache nicht in die Länge zu ziehen, nicht weiter darauf eingehen. Ich sitze schon von Anbeginn dieser Legislaturperiode hier. Die Schilder sind schon entsprechend, nur die Technik ist leider noch nicht umgestellt. Ich bitte daher um Entschuldigung, wenn ich aus Ihrer Sicht auf dem falschen Platz sitze.
Zunächst, Herr Minister, vielen Dank für die einleitende Antwort auf meine Hauptfrage. Wir haben dazu diverse Nachfragen. Vielen Dank auch für die schriftliche Beantwortung des Fragenkatalogs, den wir Ihrem Ministerium übermittelt hatten. Ich möchte bereits jetzt betonen, dass die meisten Fragen damit weniger zu tun haben, bereits vor Beantwortung des Fragenkatalogs bestanden und nunmehr gestellt werden.
Herr Minister, im öffentlichen Teil der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 14. März hatte das Finanzministerium im Zusammenhang mit Hamm-Uentrop und der Firma HKG GmbH gesagt: Die Gesellschaft, also die HKG, hat Forderungen gegen das Land NRW. -Das sind noch nicht geleistete Einlagevorausleistungen, wie Sie es gerade dargestellt haben.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie hoch sind diese Forderungen, die die Betreibergesellschaft des Atomkraftwerks Hamm-Uentrop gegen das Land hat?
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das sind 2,8 Millionen, die sich auf das beziehen, was ich eingangs gesagt habe, dass die zweite Ergänzungsvereinbarung 2009 endete und die Verhandlungen nicht zu dem Ergebnis geführt hatten, dass es einen direkten Anschluss gab. Vielmehr kommt es erst 2013 zum Anschluss, sodass die Lücke noch überbrückt werden muss. Für die Jahre 2010, 2011 und 2012 bestehen diese Forderungen.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Kollege Stein von der Piratenfraktion hat sich gemeldet.
Robert Stein (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans, die Piratenfraktion hat am 23. November letzten Jahres die Landesregierung um die Übersendung des Rahmenvertrags gebeten, was in Vorlage 16/460 dokumentiert ist. Dies wurde mit Hinweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ein Vertragspartner geltend gemacht habe, abgelehnt.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wann hat das Ministerium bei der HKG erstmals angefragt, ob sie mit der Weitergabe des Rahmenvertrags einverstanden sei?
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das Finanzministerium hat im März angefragt. Es hat aber vorher eine Frage gegeben – wohl im Zusammenhang mit einer Frage meines Kollegen Johannes Remmel –, bei der sich die Geschäftsführung damals nicht damit einverstanden erklärte, diese Unterlagen öffentlich zu machen.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt eine weitere Frage des Herrn Kollegen Wegner.
Olaf Wegner (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen steht auf Seite 41 – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:
„Insbesondere im Hinblick auf die ungeklärte Finanzierung des Rückbaus des THTR werden wir die früheren Betreiber bzw. Rechtsnachfolger und Eigentümer in die finanzielle Verantwortung nehmen.“
Dieser Logik folgend wären die Gesellschafter des Unternehmens, das das Atomkraftwerk betreiben sollte, also die Gesellschafter der HKG, in finanzielle Verantwortung zu nehmen. Laut Auszug aus dem Unternehmensregister halten laut Bilanz 2011 RWE Power, GKW, Mark E, GWH und STAWAG Eigenkapital an der HKG.
Vor diesem Hintergrund frage ich: Würde die Inanspruchnahme der Gesellschafter, also der aufgezählten Unternehmen, den sicheren Ruin für diese Gesellschaften bedeuten?
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Es geht darum, dass wir uns im Koalitionsvertrag dazu geäußert haben, wie in Zukunft der Rückbau zu erfolgen hat. Das ist das, was auch in der Bilanz des Unternehmens erscheint. Wir haben im Haushalt bislang aber nur die Planung bis zum Ende der jetzt wieder neu anstehenden dritten Ergänzungsvereinbarung, die bis zum Jahr 2022 geht. Innerhalb dieser Frist ist der Rückbau definitiv noch nicht vorgesehen. In diesem Zeitraum geht es nur um den Betrieb des sicheren Einschlusses.
Deshalb sind die Fragen: „Was kommt in der dann folgenden Phase auf uns zu? Sind die bilanziellen Posten, die bis zum Ende des Jahrhunderts ausgewiesen sind“ – wir reden mindestens über Zeiträume bis 2080 – „die Kosten, die dann wirklich da sind? In welcher Weise kann man dann an den geltenden Verträgen etwas ändern und damit die Betreiber einbeziehen?“, im Augenblick überhaupt nicht abzusehen. Wir haben bisher einen Vertrag, der jetzt von 2009 auf 2022 verlängert worden ist. In der Zeit kann von diesen Risiken und ihren Größenordnungen noch keine Rede sein.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Nun liegt eine Frage des Herrn Abgeordneten Stein vor.
Robert Stein (PIRATEN): Vielen Dank. – Hintergrund meiner Frage ist, dass ein Abgeordneter aus der Regierungskoalition im Haushalts- und Finanzausschuss gesagt hat, dass unser Antrag auf Streichung der Ausgaben für das Atomkraftwerk Hamm-Uentrop, den wir zur Haushaltsdebatte gestellt hatten, nicht so einfach umzusetzen sei. Deshalb frage ich Sie – das ist das, was Frau Kraft durch einen Zwischenruf in meiner Plenarrede auch deutlich gemacht hat –: Besteht bereits vor dem Abschluss der Verhandlungen zur 3. Ergänzungsvereinbarung eine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung der von Rot-Grün vorgesehenen Mittel für das Atomkraftwerk?
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Nach meiner Auffassung besteht dazu eine Verpflichtung, weil es im Rahmenvertrag eine Garantieerklärung gibt. Das ist schon mehrfach verhandelt worden; wir sind ja jetzt in der 3. Ergänzungsvereinbarung.
Aus den Unterlagen weiß ich, dass es so ist, dass die Betreiber damals von vornherein darauf hingewiesen haben, dass die Errichtung und der Betrieb auch im öffentlichen Interesse liegen und deswegen die Beteiligung der öffentlichen Hand, sprich Land und Bund, erwartet und eingefordert wird.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Schönen Dank, Herr Minister. – Nun hat sich die Kollegin Brand von den Piraten gemeldet.
Simone Brand (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Minister, zurzeit verhandelt das Finanzministerium als Verhandlungsführer die 3. Ergänzungsvereinbarung zum Rahmenvertrag. – Diese Auskunft stammt aus einer Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage einiger Abgeordneter der Grünen; das ist die Bundestagsdrucksacke 17/6179.
(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)
Daher frage ich Sie: Ist es richtig, dass in den Verhandlungen zur 3. Ergänzungsvereinbarung die Gesamthöhe der Verpflichtungen von Bund und Land verhandelt wird?
Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Minister.
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Nein, das ist nicht richtig.
Vizepräsident Daniel Düngel: Das war eine kurze Antwort. – Nächster Fragesteller ist der Kollege Fricke, ebenfalls aus der Piratenfraktion.
Stefan Fricke (PIRATEN): Herr Minister, laut Aussage des Finanzministeriums in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 14. März 2013 verhandelt das Finanzministerium als Verhandlungsführer gerade mit der Betreibergesellschaft und dem Bund über die Finanzierung. In diesem Zusammenhang frage ich: Welchen rechtlichen Spielraum gibt es bei diesen Verhandlungen?
Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Minister.
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Seitdem ich dieses Thema und diese Verhandlungen kenne, gab es praktisch kaum noch einen Spielraum. Es ging eigentlich darum, eine 3. Ergänzungsvereinbarung für die Folgezeit nach 2009 abzuschließen. Es hat in der damaligen Zeit Probleme damit gegeben, dass unter anderem kleinere Betreiber Diskussionsbedarf mit den größeren Anteilseignern hatten. Das, was offen war, war im Wesentlichen die Frage dieser Umsetzung, wie letztlich eine bereits ausgehandelte Größenordnung noch einmal innerhalb des Kreises der Anteilseigner verteilt werden könnte.
Insofern ist das Finanzministerium während der Zeit, in der ich Verantwortung trage und auf die ich zurückblicken kann, vor allen Dingen moderierend tätig gewesen: einerseits zwischen den Anteilseignern, zum Teil aber auch zwischen den Betreibern und dem Bund, weil auch da eine Zeit lang die Frage aufgeworfen wurde, inwiefern der Bund denn seinen Verpflichtungen nachzukommen hat. Man hat dann vonseiten des Bundes noch einmal ein Gutachten anfertigen lassen. Im Nachhinein ist auch der Bund dann auf der Grundlage seines Gutachtens zu der Erkenntnis gekommen, dass die Regelungen, wie sie vereinbart waren, nicht umzustoßen sind. Deswegen ist praktisch die 3. Ergänzung der Rahmenvereinbarung so erfolgt, wie sie eigentlich schon von Anfang an auf dem Tisch lag.
Wir haben dann lediglich dafür gesorgt, dass die bis zum Jahr 2022 verlängert wird. Ursprünglich war eine Verlängerung für die Jahre 2010 bis 2017 geplant. Wir haben dann gesagt: Wenn man ohnehin erst im Jahr 2013 zu einer Regelung kommt, dann sollten wir, bitte schön, auch die Laufzeit noch einmal ein Stück ausdehnen. So ist auch die Verlängerung auf das Jahr 2022 zustande gekommen.
Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt vom Kollegen Marsching, ebenfalls Pirat.
Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Im Fall des Atomkraftwerks Hamm-Uentrop wird weder in den Erläuterungen zum Haushaltstitel noch im Erläuterungsband erklärt, inwiefern die aktuellen Ausgaben und die neue Verpflichtungsermächtigung eventuell auf ältere Verträge zurückgehen. Bei anderen Titeln passiert das bereits bei deutlich geringeren Beträgen.
Im Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen steht: „Wir wollen in der Politik auf allen Ebenen für mehr Transparenz sorgen.“ – Ich frage mich: Warum gibt es bei den Ausgaben für das Atomkraftwerk Hamm-Uentrop hier anscheinend nicht diesen Wunsch nach Transparenz?
Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Minister.
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich habe das, ehrlich gesagt, akustisch nicht ganz verstehen können.
Vizepräsident Daniel Düngel: Wenn es ein Akustikproblem war, würde ich den Kollegen Marsching bitten, die Frage zu wiederholen.
Michele Marsching (PIRATEN): Okay. Man kann aus den Erläuterungen zum Haushaltstitel, aber auch aus dem Erläuterungsband nicht ersehen, inwieweit die aktuellen Ausgaben und die neue Verpflichtungsermächtigung eventuell auf ältere Verträge zurückgehen. Von daher die Frage: Warum gibt es hier nicht eine transparente Aufstellung dessen für das Atomkraftwerk Hamm-Uentrop?
Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Minister.
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Wir haben lediglich die Werte, wie wir sie hatten, um die neuen Werte inklusive der 3. Ergänzungsvereinbarung fortgeschrieben. Das ist das, was im Landeshaushalt für diesen Bereich „sicherer Einschluss“ zu veranschlagen ist. Dafür haben wir die notwendigen Haushaltstitel und die entsprechenden Ansätze.
Vizepräsident Daniel Düngel: Okay. – Nächster Fragesteller ist der Kollege Rohwedder, ebenfalls aus der Piratenfraktion.
Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir hatten ja um die Offenlegung des Rahmenvertrages gebeten, und zwar schon Ende letzten Jahres. Dazu gibt es dieVorlage 16/460 . Trotz des sogenannten Priggen-Urteils – Aktenzeichen: VerfGH 7/07 – hat die Landesregierung damals die Übersendung des Vertrages verweigert. Nach dem Priggen-Urteil muss aber die Landesregierung Verträge zumindest gegenüber Abgeordneten offenlegen. Inzwischen haben wir den Vertrag bekommen – er ist gestern Abend eingetroffen –. Nach einem ersten Überblick hat dieser 600 Seiten. Wir haben es uns bisher noch nicht anschauen können.
Ist es nicht so, dass die Landesregierung nach diesem Urteil schon damals von sich aus die vertrauliche Übersendung hätte anbieten müssen?
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich kann nur wiederholen, was wir auch in den Ausschusssitzungen immer wieder gesagt haben. An meiner Weigerung haben diese Übersendung und die Zurverfügungstellung definitiv nicht gelegen. Wir haben in einem ersten Schritt eine Erlaubnis seitens der Geschäftsführung nicht gehabt. Wir haben weiter insistiert. Wir haben deutlich gemacht, dass es auch ein Interesse des Parlaments gibt, hier Einblick nehmen zu können.
Mir liegt es absolut fern, die Aufarbeitung dieses Komplexes mit seinen gesamten Folgeeffekten sowohl innerhalb der Gültigkeit der Ergänzungsvereinbarung, aber auch darüber hinaus in irgendeiner Weise zu behindern. Ich finde das Thema schwerwiegend genug. Ich finde auch gut, dass noch einmal deutlich wird, welche Folgen die Nutzung von Kernkraft insgesamt hat. Dass es hier sogar um die Nutzung von Kernkraft für wenige Monate ging, ist natürlich ein erhebliches Beschwernis. Aber wir haben gesagt, dass Kernkraft viel kostet, aber in der immer wieder dargestellten Kostengünstigkeit alle diese Folgelasten nicht ausreichend berücksichtigt sind.
Ich habe von daher nicht im Geringsten das Interesse, Ihnen Daten dieser Art vorzuenthalten. Ich bin jedoch an gesetzliche Regelungen gebunden, und ich bin auch daran gebunden, dass mir möglicherweise bestimmte Gremien etwas nicht zur Verfügung stellen.
Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt vom Kollegen Bayer aus der Piratenfraktion.
Oliver Bayer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, wir haben schon gehört, die Verhandlungen zur 3. Ergänzungsvereinbarung zum Rahmenvertrag führt laut Bundestagsdrucksache 17/6179 das nordrhein-westfälische Finanzministerium. Daher die Frage: Ist es richtig, dass in den Verhandlungen zur 3. Ergänzungsvereinbarung festgelegt wird, zu welchem Teil sich Bund und Land die Lasten teilen?
Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Minister.
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Es ist nicht Gegenstand der Ergänzungsvereinbarung, zu einer veränderten Teilung zu kommen, wie sie vorher bestanden hat, sondern sie ist so, dass sich Bund und Land das zu gleichen Teilen aufgeteilt haben.
Vizepräsident Daniel Düngel: Nächster Fragesteller ist Kollege Kern aus der Piratenfraktion.
Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, in der Bilanz der Betreibergesellschaft für 2011 sind Forderungen in Höhe von gerundet 626,3 Millionen € gebucht, die grob den Rückstellungen für den Rückbau des Atomkraftwerks entsprechen.
Es liegt die Vermutung nahe, dass ein Teil dieser Forderungen gegenüber dem Land besteht. Denn es dürfen nur solche Forderungen in der Bilanz ausgewiesen werden, in welchen – ich zitiere den Leitsatz des Urteils vom Bundesfinanzhof vom 14. April 2011 – „mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest zu rechnen ist“.
Daraus ergibt sich meine Frage. Bestehen Forderungen der HKG gegenüber dem Land, die über die im Haushaltsplan 2013 etatisierten Beträge in Höhe von insgesamt 36,2 Millionen € hinausgehen?
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Es gibt eindeutig einen Rahmenvertrag. Es gibt bisher Ergänzungsvereinbarungen, die sozusagen die Zeit immer weiter abarbeiten. Das, was hier bilanziell ausgewiesen ist, sind nach der Sicht des Unternehmens die Kosten, die entstehen werden.
Die Tatsache, dass klar ist, dass sich aus der Rahmenvereinbarung heraus ergibt, dass auch in Zukunft Bund und Land ihren Anteil daran zu tragen haben, macht deutlich, dass diese Forderungen auch über das Jahr 2022 hinausgehen. Man kann es auch nicht im Vorhinein im Haushalt veranschlagen, sondern im Haushalt wird jetzt das veranschlagt, was vertraglich vereinbart und sicher ist. Das geht bis zum Jahr 2022, und es wird am Ende des Jahrzehnts mit Sicherheit Verhandlungen über das Jahr 2022 hinaus geben. Das zeigt das, was in der Bilanz steht, eindeutig.
Wir haben heute am Beispiel von Phoenix oder Abwicklungsanstalt ähnliche Dinge beschrieben. Es gibt Bereiche, von denen man weiß, dass mit ihnen noch eine Last verbunden ist, die aber im Einzelnen noch nicht zu beziffern ist, weil wir zum Beispiel überhaupt noch nicht wissen: Wann wird dieser Rückbau in welcher Form, über welche Zeit hinweg und mit welchen Folgen überhaupt vonstattengehen? Damit ist sicher noch eine Unsicherheit in den einzelnen Kostenkomponenten enthalten. Da mache ich mir nichts vor, und ich werde weder Ihnen noch den Menschen im Land etwas vormachen.
Vizepräsident Daniel Düngel: Die nächste Frage stellt – ebenfalls aus der Piratenfraktion – Herr Kollege Sommer.
Torsten Sommer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Walter-Borjans, erst einmal vielen Dank, dass Sie sich der langen Fragestunde stellen und auch so ausführlich antworten.
Ich möchte noch einmal auf die Höhe der Verpflichtung des Landes zurückkommen. Im Jahr 1988 hat die damalige Landesregierung auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der SPD geantwortet – ich zitiere mit Verlaub –:
„Für den Fall, dass diese“
– gemeint ist die Gesellschaft HKG, die den Atomreaktor betreiben sollte –
„in Zahlungsschwierigkeiten geraten sollte und die verbürgten Kredite nicht mehr bedienen kann, entsteht für das Land aufgrund einer Bürgschaft unter Berücksichtigung der 30%igen Rückbürgschaft der Gesellschafter der Hochtemperatur-Kernkraft GmbH eine Verpflichtung von maximal 110 Millionen DM.“
Nachzulesen in Vorlage 10/3329.
Bereits 1997 hatte das Land mehr als 150 Millionen DM an die Atomkraftwerksbetreiber HKG ausgezahlt, wie dem Protokoll der Ausschusssitzung aus Wahlperiode 12 Nr. 968 zu entnehmen ist. Im Haushaltsplan 2013 sind insgesamt erneut 36,2 Millionen € zugunsten der Atomkraft in Hamm-Uentrop vorgesehen. Allein diese beiden Zahlen zusammengenommen sind es etwa 115 Millionen €.
Wie erklären Sie sich, dass die 1988 als maximal bezeichneten Verpflichtungen des Landes allein aus den genannten Zahlen inzwischen um mehr als 100 % überschritten worden sind?
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das ist damit zu erklären, dass im Jahr 1988 die von Ihnen erwähnten Bürgschaften noch bestanden, der Rahmenvertrag, über dessen Verlängerung wir jetzt reden, erst 1989 abgeschlossen worden ist und 1989 die Bürgschaften aufgehoben und ersetzt worden sind durch die Garantie, die Teil des Rahmenvertrags ist.
Im Rahmen dieser Garantie sind dann die bisher von Ihnen angesprochenen Zahlungen notwendig geworden. Also, 1988 konnte man auf der Grundlage des damals geltenden Vertragszustands das nicht vorhersehen, was wir heute wissen.
Vizepräsident Daniel Düngel: Seine zweite und letzte Frage kommt vom Kollegen Wegner aus der Piratenfraktion.
Olaf Wegner (PIRATEN): Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, ich habe noch eine Frage, und zwar im Kontext der Höhe, in der das Land verpflichtet ist, Zahlungen zugunsten des Atomkraftwerks Hamm-Uentrop zu leisten, und konkret in der Verbindung mit der Systematik der Haushaltsaufstellung.
Wie hoch wäre die in den Haushalt einzustellende Summe, wenn die Forderung der HKG GmbH gegen das Land im Haushalt 2013 nicht nach dem kameralen System, sondern nach der Doppik oder im Rahmen von EPOS aufgestellt worden wäre?
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Die Frage kann ich Ihnen jetzt mit einer konkreten Zahl nicht beantworten, weil selbst in einer Bilanzierung die Forderung hinreichend bestimmt sein müsste, was nicht der Fall ist, weil es bislang keine Planungen dafür gibt, wie der Rückbau erfolgen soll.
Vizepräsident Daniel Düngel: Eine zweite Frage vom Kollegen Schulz aus der Piratenfraktion.
Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Zum Hintergrund meiner Frage: Die Piratenfraktion, Herr Minister, bat die Landesregierung um Vorlage des Rahmenvertrags und der Ergänzungsvereinbarungen am 23. November 2012. Herr Minister Remmel, aber auch Sie, Herr Dr. Walter-Borjans, verweigerten die Übersendung dieser Dokumente seinerzeit.
(Minister Dr. Norbert Walter-Borjans: Nein!)
– Lassen Sie mich das weiter ausführen.
Herr Remmel leitete die Information des Finanzministeriums zum THTR Hamm-Uentrop weiter.
In der Vorlage 16/460 verweisen Sie darauf, dass einer der Vertragspartner der Veröffentlichung nicht zugestimmt habe. Laut Aussage des Finanzministeriums im Haushalts- und Finanzausschuss vom 14. März 2013, im Übrigen im öffentlichen Teil, war dies die Betreibergesellschaft des Atomkraftwerkes, nämlich die HKG. Wir haben mit den Geschäftsführern der HKG gesprochen. Wie bereits damals im Haushalts- und Finanzausschuss dargelegt, widerspricht die HKG dieser Darstellung. Jetzt bestätigt auch der neue Geschäftsführer Dr. Versemann – vorher war es der alte, Herr Dr. Dietrich –: Die Betreibergesellschaft wurde erstmals Mitte März 2013 von der Landesregierung gefragt, ob sie mit einer Veröffentlichung einverstanden sei. Ebenso wie damals Herr Dr. Dietrich hat uns auch Herr Dr. Versemann auf explizite Nachfrage hin erlaubt, ihn mit dieser Aussage öffentlich zu zitieren.
Das bedeutet: Sie haben mit Hinweis auf jemand Drittes die Weitergabe der vorerwähnten Unterlagen am 17. Dezember 2012 verweigert, obwohl dieser Dritte nach deren eigenen Aussage erst Mitte März 2013 von der Landesregierung gefragt wurde.
Meine Frage: Könnte es sein, Herr Minister, dass die Landesregierung in ihrer Vorlage 16/460 vom 17. Dezember 2012 die Abgeordneten im Parlament über diesen Umstand nicht vollständig und nicht vollständig wahrheitsgemäß informiert hat?
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Nach meiner Kenntnis nein. Und es wäre auch definitiv nicht meine Absicht gewesen. Ich habe eben auch nicht gesagt, Kollege Johannes Remmel hätte sich geweigert, sondern ich habe gesagt: Uns gegenüber hat die Betreibergesellschaft einer Weitergabe nicht zugestimmt. – Diese Information habe ich bis heute. Ich weiß von meinen Mitarbeitern im Finanzministerium, dass mir glaubwürdig versichert wird, allerdings nicht auf schriftlichem Wege, sondern auf telefonischem Wege, mit der Geschäftsführung gesprochen zu haben, und die Geschäftsführung hat nicht zugestimmt. Die jetzt belegte Anfrage ist schriftlicher Natur. Auf die haben wir eine Zustimmung bekommen. Und Sie haben das auch weitergeleitet bekommen.
Ich kann nur sagen: Ich sehe keinen Grund, warum ich eine Unterlage, die ich Ihnen heute übersende, vor einigen Monaten nicht hätte übersenden wollen. Ich habe kein Interesse daran, dass Sachverhalte nicht aufgeklärt werden, die bei der Bearbeitung dieses Thema wichtig sind und bei denen vor allen Dingen klar ist, dass sie so oder so irgendwann auf den Tisch des Hauses kommen. Ich finde es richtig, und es ist in Ordnung. Sie haben es jetzt bekommen. Nach meinem Kenntnisstand ist es jedenfalls nicht so, dass ich unvollständig informiert hätte.
Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank. – Seine zweite und letzte Frage kommt vom Kollegen Rohwedder.
Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte jetzt mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für die jetzige Periode 2012 bis 2017 zitieren:
„Der Rückbau der Atomruinen AVR Jülich und THTR Hamm-Uentrop wird noch Jahrzehnte dauern und insgesamt Milliarden Euro kosten. Insbesondere im Hinblick auf die ungeklärte Finanzierung des Rückbaus des THTR werden wir die früheren Betreiber bzw. Rechtsnachfolger und Eigentümer in die finanzielle Verantwortung nehmen.“
Herr Finanzminister, nach den eben gehörten Ausführungen würde ich gerne wissen, welche Aussagekraft hinter den Formulierungen des Koalitionsvertrages steht, auf dessen Grundlage Sie ja regieren.
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Wenn ich nicht ganz falsch liege, ist diese Frage eben schon einmal mit Bezug auf dieselbe Passage des Koalitionsvertrages gestellt worden.
Im Koalitionsvertrag sagen wir, dass wir die Betreiber beim Rückbau in die Verantwortung nehmen wollen. Wir sind im Augenblick auch für die Laufzeit der jetzt anstehenden 3. Ergänzungsvereinbarungen bis 2022 nicht in einer Phase, in der der Rückbau anfangen wird. Bei der klaren Erklärung, dass wir bei dieser Art der Kostenexplosion im Bereich der Kernkraft Wert darauf legen, dass die Betreiber ihren Anteil tragen, bleibt es.
Vizepräsident Daniel Düngel: Die nächste Frage stellt der Kollege Schmalenbach aus der Piratenfraktion.
Kai Schmalenbach (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Dr. Walter-Borjans, zu Ihrer Antwort auf die erste Nachfrage von Herrn Schulz habe ich eine weitere Nachfrage: Sind die von Ihnen genannten Forderungen in Höhe von 2,8 Millionen € die Gesamtsumme der Forderungen der Betreibergesellschaft gegen das Land in der Bilanz der HKG nach dem Stand 2011?
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Dieser Wert, den ich gerade genannt habe – ich habe mich noch einmal rückversichert –, betrifft die Endlagervorausleistungen, die sozusagen aufgeholt werden müssen, weil wir zwischen 2009 und 2013 eine vertragliche Lücke hatten. Somit kommen praktisch die Jahre 2010, 2011, 2012 und 2013 in ein Paket. Auf die bezieht sich dieser Wert.
Vizepräsident Daniel Düngel: Die nächste Frage kommt vom Kollegen Bayer. Das ist seine zweite und damit letzte Frage.
Oliver Bayer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich möchte die Frage des rechtlichen Spielraumes bei den Verhandlungen zur dritten Ergänzungsvereinbarung ansprechen, die ja die finanzielle Beteiligung des Landes regeln soll. Laut Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Grünen im Bundestag gilt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:
Die Finanzierungsregelung zum Betrieb des sicheren Einschlusses endet vertragsgemäß am 31. Dezember 2009. Aus den vorhandenen Vereinbarungen lassen sich keine rechtlich eindeutigen Aussagen bezüglich der weitergehenden finanziellen Verpflichtungen treffen.
Die Landesregierung hat insgesamt 36,2 Millionen € in den Haushaltsplan 2013 eingestellt, die dazu dienen sollen, dass das Land seinen erwarteten Verpflichtungen aus den Vereinbarungen mit den Atomkraftwerksbetreibern nachkommen kann.
Wie ordnen Sie die Einstellung von insgesamt 36,2 Millionen € in den Haushaltsplan bzw. das erwartbare Verhandlungsergebnis zur dritten Ergänzungsvereinbarung vor dem Hintergrund ein, dass die Bundesregierung keine rechtlich eindeutigen Aussagen bezüglich weitergehender, also über das Jahr 2009 hinausgehender finanzieller Verpflichtungen sieht?
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Noch einmal: Wir hatten eigentlich die Notwendigkeit, für das Jahr 2010 eine Anschlusslösung zu finden. Diese Anschlusslösung ist damals im Großen und Ganzen geklärt gewesen. Es gab noch einige Detailfragen, die allerdings dann zu den Verzögerungen geführt haben. Auf dieser Grundlage haben wir diese Verhandlungen zu Ende geführt.
Es ist so, dass der Betrieb des sicheren Einschlusses in den früheren Ergänzungsvereinbarungen bzw. in der Rahmenvereinbarung so bemessen gewesen ist, dass die zur Verfügung stehenden Mittel sogar bis 2022 ausreichen werden, die Kosten abzudecken. Also dafür muss überhaupt nichts zusätzlich gegeben werden.
Das hat uns im Übrigen auch in die Lage versetzt, die ungeklärte Verhandlungsphase zu überbrücken, weil sie nicht zu einem Engpass in der Gesellschaft geführt hat. Jetzt geht es lediglich darum, dass noch die Endlagervoraussetzungen finanziert werden mussten. Das ist auf dieser Grundlage passiert. Daran sind ja auch die Betreiber mitbeteiligt. Aber das ist auf der Grundlage geschehen, die schon in früheren Zeiten vorverhandelt worden ist, in welcher Weise die Aufteilung zwischen der öffentlichen Hand und den Betreibern hier erfolgt.
Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank. – Eine weitere Frage kommt vom Kollegen Sommer. Das ist auch seine zweite und damit letzte Frage.
Torsten Sommer (PIRATEN): Herr Minister Walter-Borjans, Sie haben eben schon des Öfteren angesprochen, dass es nicht an Ihnen gelegen hätte, diesen Rahmenvertrag zu veröffentlichen. Ich hätte gern gewusst, wie Sie sich dazu stellen würden, wenn ein angestrebtes echtes Transparenzgesetz in NRW genau solche Art von Verträgen als Prüfstein nehmen würde, um sie allgemein zu veröffentlichen?
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich glaube, dass Fragen dieser Art damit nicht pauschal gelöst werden. Das haben wir auch bei Gutachten und anderen Vorgängen. Wenn betriebliche Details oder personenbezogene Details darin stehen, dann kann es sein, dass wir die Zustimmung desjenigen, in dessen Besitz oder Eigentum sich diese Unterlage befindet, nicht bekommen. Ich finde, gerade vor der Diskussion, die wir heute Vormittag geführt hatten, in der Sie großen Wert darauf gelegt haben, dass die richtige Balance zwischen Transparenz und Schutz von Rechten gefunden wird, wird man immer an diesem Punkt sein, wo man mit demjenigen, der die Unterlage hat, verhandeln muss. Wir haben das getan. Sie haben jetzt die Unterlage. Ich glaube nicht, dass an diesen Monaten am Ende die Beantwortung dieser Frage scheitert. Ich hätte Ihnen gern die Unterlage vorher gegeben. Wir haben das jetzt erreicht. Mehr kann ich jetzt dazu nicht sagen.
Vizepräsident Daniel Düngel: Eine weitere Frage gibt es jetzt vom Kollegen Fricke. Das ist ebenfalls seine zweite und damit letzte Frage.
Stefan Fricke (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, welche Vorverträge oder Bürgschafts- oder Risikobeteiligungsverträge oder Garantien bzw. weitere Verträge, abgesehen vom Rahmenvertrag und seinen Ergänzungsvereinbarungen, wurden geschlossen, bei denen das Land beteiligt war oder verpflichtet wird?
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das, was es an darüber hinausgehenden Vereinbarungen oder Zugeständnissen gegeben hat, etwa Regressverzichtsverträge und Ähnliches, ist in dem extrem dicken Konvolut, das Ihnen übermittelt worden ist, vorhanden. Ich kann die hier im Detail jetzt nicht aufzählen. Ich kann Ihnen zusagen, wenn Sie wollen, dass wir sie Ihnen noch einmal auflisten. Sie sind aber in dem, was Ihnen übersandt worden ist, auch enthalten. Ihnen ist da nichts vorenthalten worden.
Vizepräsident Daniel Düngel: Eine weitere, seine dritte und damit ebenfalls letzte Frage stellt jetzt der Kollege Schulz.
Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister, ich muss noch mal auf meine Frage zurückkommen. Der THTR 300 war bereits Thema im Haushalt 2012, er ist es auch wieder im Haushalt 2013. Ich möchte in diesem Zusammenhang wissen, wie Sie sich den Widerspruch zwischen den Äußerungen, die Sie hier und heute sowie ähnlich Mitte März dieses Jahres im HFA getätigt haben, und der Vorlage 16/460 vom Dezember letzten Jahres erklären.
Demnach hätte sich nämlich – so wurde es vorhin ausgeführt – die HKG praktisch seit November letzten Jahres geweigert, die Unterlagen freizugeben, und Sie hätten sich darum bemüht, dass wir heute darüber verfügen können.
Gleichwohl bleibt die Diskrepanz bestehen, dass die Geschäftsführer der HKG noch in dieser Woche gesagt haben, vor Mitte März dieses Jahres habe überhaupt kein Kontakt seitens der Landesregierung bezüglich der Freigabe des Rahmenvertrags und der Ergänzungsvereinbarung stattgefunden.
Wie können Sie vor diesem Hintergrund Ihre Ausführungen erklären, dass bereits seit November letzten Jahres beharrliche Bemühungen gelaufen sind, an diese Unterlagen heranzukommen und sie uns zu übermitteln?
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das kann ich Ihnen nur damit erklären, dass da Aussage gegen Aussage steht. Ich kann Ihnen versichern: Ich persönlich habe zwar keinen entsprechenden Versuch unternommen, ich habe aber keinen Zweifel daran, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Anfragen getätigt haben, von denen sie mir und auch dem Ausschuss berichtet haben.
Wenn ich nun von einem ausgeschiedenen Geschäftsführer, den Sie befragt haben, und einem nachfolgenden Geschäftsführer unterschiedliche Sachen höre, dann muss geklärt werden, wie dieser Unterschied in der Sachverhaltsdarstellung zustande kommt. Ich kann Ihnen diese Erklärung jedenfalls nicht bieten.
Vizepräsident Daniel Düngel: Es gibt noch eine weitere Frage vom Kollegen Kern; es ist seine zweite und damit letzte Frage.
Nicolaus Kern*) (PIRATEN): Danke schön, Herr Präsident. – Herr Minister, der Antwort auf meine erste Frage entnehme ich, dass Sie mit weiteren Kosten für den Landeshaushalt NRW rechnen. Darf ich Sie um eine Einschätzung zur Höhe der Gesamtkosten bitten, die bislang noch nicht im Haushalt Niederschlag gefunden haben? Können Sie ausschließen, dass sich diese zusätzlichen Kosten auf einen dreistelligen Millionenbetrag belaufen?
Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das kann ich nicht. Wir reden jetzt über die Frage, welche Kosten auf das Land in den Jahren 2023 bis 2080 zukommen. Das hängt davon ab, ob in dieser Zeit ein Rückbau erfolgt, ob es bei einem sicheren Anschluss bleibt und ob es überhaupt Endlager geben wird.
Wir alle kennen die Diskussionen darüber, dass solche Fragen nicht nur für dieses ehemalige Kernkraftwerk bislang nicht geklärt sind. Wir alle wissen, dass das Unternehmen über 600 Millionen € Folgekosten bilanziert hat. Daraus kann man alle möglichen Spekulationen ableiten; aber ich will mich jetzt nicht auf eine Zahl kaprizieren, die am Ende nur gegriffen wäre.
Ich betone noch einmal: Wir reden über einen Zeitraum, der in zehn Jahren beginnt und in 65 Jahren endet – wenn er dann endet.
Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Minister Walter-Borjans. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Ende dieser Mündlichen Anfrage.
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