Mittwoch, 27. Februar 2013
TOP 10. Stromverbraucher von steigenden Energiewendekosten entlasten – Strompreisbremse durch Stromsteuersenkung einführen
Antrag der Fraktion der FDP
in Verbindung damit
Strom muss bezahlbar bleiben – Nordrhein-Westfalen muss im eigenen Interesse die Vorschläge der Bundesregierung unterstützen
Antrag der Fraktion der CDU
Unser Redner: Hanns-Jörg Rohwedder
Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
Audiomitschnitt der Rede von Hanns-Jörg Rohwedder
Videomitschnitt der Rede von Hanns-Jörg Rohwedder
Das Wortprotokoll zur Rede von Hanns-Jörg Rohwedder
Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Ach so, ich muss noch mein Jacket holen.
(Der Abgeordnete holt sein Jacket. – Zuruf von der CDU: Manuskript vergessen! – Heiterkeit und vereinzelt Beifall von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Okay, spät am Abend ist das wohl erlaubt.
Die Anträge von FDP und CDU sind – ich muss das jetzt einmal wirklich ganz platt sagen – panne; anders kann man das nicht sagen. Ich habe hier auch keine Beiträge von den beiden Fraktionen gehört, die irgendwie eine Begründung für den Unfug geliefert hätten, den Sie hier abgeliefert haben.
Die Stromsteuer zum Beispiel hat eine ökologische Lenkungswirkung für einen effizienteren und umweltschonenderen Energieeinsatz in den Haushalten. Diese Steigerung der Energieeffizienz ist für die Energiewende unerlässlich, und sie führt insgesamt zu enormen Kosteneinsparungen.
Die Ziele für Deutschland entsprechend dem Energiekonzept sehen bis zum Jahr 2020 eine Verdoppelung der Energieeffizienz im Verhältnis zum Jahr 1990 und eine Senkung des nationalen Stromverbrauchs bis 2020 gegenüber 2008 um 10 % vor. Die Erreichung dieser Ziele ist zurzeit gefährdet.
Deshalb darf, wenn man eine Stromsteuer überhaupt senken will, dies nur unter ganz bestimmten Bedingungen stattfinden, nämlich erstens zeitlich begrenzt bei starkem Anstieg der Stromkosten und zweitens wegen der ökologischen und der gesamtwirtschaftlichen Vorteile der erneuerbaren Energien gegenüber den fossilen nur für den Anteil des Stromes aus erneuerbaren Energien. Außerdem braucht dies ein Konzept zur Kompensation fehlender Einnahmen aus der Stromsteuer für die soziale Sicherung. All dies vermisse ich in Ihren Anträgen; es kommt darin überhaupt nicht vor.
Wenn man einkommensschwache Haushalte gezielt von hohen Stromkosten entlasten will, dann kann man sie auch beim Erwerb von energieeffizienten Haushaltsgeräten unterstützen. Man kann Mittel für energetische Gebäudesanierung bereitstellen und die verfassungswidrig niedrigen Sätze von ALG II erhöhen, ebenso das Wohngeld und das BAföG. Man kann eine effektive staatliche Preisaufsicht einführen, die die Verbraucher von den gesunkenen Preisen an der Leipziger Strombörse profitieren lässt. Nichts davon findet man bei Ihnen.
Diverse Industrieprivilegien gehören auf den Prüfstand; Frau Brems hat das bereits erwähnt. Sie belaufen sich auf 16 Milliarden € im Jahr. Da haben wir die Subventionierung privatisiert, und die Verbraucher zahlen 16 Milliarden € im Jahr: durch die EEG-Befreiung für Betriebe, die Befreiung von Netzdurchleitungsgebühren für Betriebe, die Befreiung bei Eigenproduktion, von der Stromsteuer, von den Konzessionsabgaben und von den Kosten für Emissionsrechte. Das ist das Neunfache der vorgeschlagenen 1,8 Milliarden €.
Altmaiers sogenannte Strompreisbremse ist nur eine Nebelkerze, die in Wirklichkeit vor allem den Versuch vernebeln soll, die Energiewende zu versenken; denn darum geht es Ihnen.
(Beifall von den PIRATEN und Reiner Priggen [GRÜNE])
Die Energiewende auf diese Weise zu torpedieren und das mit den Interessen der sozial Schwachen zu begründen, das ist Heuchelei und Demagogie.
Altmaier hat seine Milchmädchenrechnung in der „FAZ“ aufgemacht. Die „FAZ“ hat ihm dankenswerterweise die Möglichkeit gegeben, sich da schön zu blamieren: Er vergleicht die Vollkosten der erneuerbaren Energien mit den Grenzkosten abgeschriebener Kraftwerke. Frau Brems hat das auch schon erwähnt. Er hat seine Wirtschaftskompetenz offensichtlich von der FDP bekommen. Er erwähnt nicht, dass die erneuerbaren Energien in den letzten fünf Jahren 43 Milliarden € an fossilen Energiekosten eingespart und zudem geholfen haben, 40 Milliarden € an externen Umwelt- und Gesundheitskosten zu vermeiden.
Die Vorschläge von Altmaier und Rösler machen Unberechenbarkeit und Willkür zum Markenzeichen der deutschen Energiepolitik und führen zu starker Verunsicherung der im Bereich erneuerbarer Energien tätigen Investoren; Frau Brems erwähnte das Beispiel Saerbeck. Ich weiß, dass aktuell 100 geplante Windkraftanlagen in Rheinland-Pfalz vor dem Aus stehen und dort 7.000 Arbeitsplätze in Gefahr sind. Man nennt das mit einem englischen Ausdruck FUD – fear, uncertainty and doubt. Furcht, Unsicherheit und Zweifel sollen da gesät werden.
Statt immer neuer Einzelmaßnahmen und eines Flickenteppichs brauchen wir Rechtsstaatlichkeit und Vertrauensschutz. Wir benötigen ein schlüssiges Gesamtkonzept, einen Masterplan, der den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreibt und Überförderungen vermeidet. Eigenstromerzeugung und Eigenstromverbrauch durch erneuerbare Energien z. B. vermindern die Notwendigkeit des Netzausbaus und führen zu einer Dezentralisierung der Energiegewinnung. Deshalb braucht man eine weitere Förderung statt einer Belastung.
Sie wissen ganz genau, dass Sie die Bundestagswahlen nicht gewinnen können. Davor haben Sie Angst.
(Zuruf von der CDU)
Sie versuchen jetzt auf den letzten Drücker noch einen Amoklauf, um so viel Schaden wie möglich anzurichten, damit es die nächste Bundesregierung schwerer hat. Das wird Ihnen nicht gelingen. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Rohwedder, auch für das Sakko.
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