Simone Brand zur heutigen Pressekonferenz:
Die Piraten Und die Steuer-cd
Heute standen Dirk Schatz und ich im Foyer unserer Fraktionsräume im Landtag NRW gemeinsam vor der Kamera. Es waren alle da – von den Nachrichtenagenturen über den WDR, RTL, SAT.1 bis zum Krähennest und über unseren Livestream trotz ein paar Tonproblemen jeder Bürger, der Lust dazu hatte. Für so einen Auflauf hätte ich mir gern ein positiveres Thema gewünscht als eine Strafanzeige gegen den NRW-Finanzminister.
Kurz zum Hintergrund: meine beiden Fraktionskollegen Dirk Schatz und Nico Kern haben heute, gemeinsam mit zwei weiteren Parteimitgliedern, wegen des Ankaufs von Steuer-CDs Strafanzeige gegen den Finanzminister Hans Walter-Borjans eingereicht. Ein Paukenschlag nicht nur was das Medienecho angeht, sondern ganz besonders was die Diskussion in unserer Partei und im Speziellen auch innerhalb unserer Fraktion angeht. Wir haben im Vorfeld lange und kontrovers über das Thema diskutiert. Es waren alle möglichen Positionen dabei, die jeweils von unterschiedlichen Fraktionsmitgliedern vertreten wurden.
Die Meinungen gingen von „Steuer-CDs kaufen ist OK“ über „Strafanzeige ja, aber nur gegen anonym“ bis hin zu „Strafanzeige nur durch die MdL, die wirklich dahinter stehen“ und „alle 20 Piraten stellen die Strafanzeige gemeinsam“. Und an dem Punkt ging die Diskussion erst richtig los und zwar genau so wie ihr sie gerade alle auf unserem Blog und bei Twitter führt. Genau das sind Piraten! Und kann es für einen Piraten einen anderen Weg geben, als nach ausführlicher Diskussion die Meinung eines anderen unter Anerkennung des eigenen Standpunktes zu akzeptieren?
Wir lehnen Fraktionszwang ab! Wir unterstützen jede Art von Andersartigkeit! Und dementsprechend erkennen wir auch jede vernünftig begründete Meinung an!
Für mich gab und gibt es daher keine andere Alternative als die folgende. Ich sehe eine Strafanzeige nicht als das geeignete Mittel an, um politische Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich bin für eine vorherige Kommunikation mit den Beschuldigten. Und ich möchte auch in Zukunft positiv, konstruktiv und zur Erreichung unserer Ziele mit allen Parteien im Landtag zusammenarbeiten.
Zwar lehne ich die Strafanzeige von Dirk Schatz und Nico Kern ab, aber trotzdem müssen wir uns selbst und der Öffentlichkeit immer wieder klar machen, wofür die Piraten stehen: Meinungsvielfalt!
Die Aufgabe und das Recht, dass jeder seine eigene Meinung haben kann, darf und sollte, müssen wir uns jeden Tag auf´s Neue vornehmen. Insofern war es richtig, dass Dirk Schatz und Nico Kern heute ihre Position vertreten haben. Dennoch sollten wir alle künftig noch mehr versuchen, gemeinschaftlich aufzutreten, um den Bürgern zu zeigen, wofür die Piraten inhaltlich stehen und dass Meinungsvielfalt nicht unser einziges Anliegen ist.
Ich bin mir sicher, dass wir hier in Zukunft noch viele kontroverse Debatten über Inhalte führen. Ich trete dafür ein, dass wir uns genug Zeit nehmen werden, um die gesamte Partei mit einzubeziehen. Also bloggt weiter eure Beiträge, twittert Meinungen und diskutiert mit uns!
Simone Brand
Stellv. Fraktionsvorsitzende der Piratenfraktion im Landtag NRW
Danke Simone,
Du sprichst mir aus der Seele.
Ich hatte schon im Stream ein Statement abgegeben zur – m.E. misslungenen – Aussage von Dirk. Dein Statement im Anschluss hat es gerettet:
es geht eben nicht darum, in der Opposition, die Regierung zu stürzen (sinngemäß), sondern wie Du angemerkt hast, Rechtssicherheit herzustellen.
Ich hoffe, der Stream wird noch als Video irgendwo hochgeladen zur Manöverkritik (konstruktiv, bitte – auch wenn ich spontan in dem Moment bei Dirk facepalm machte, so glaube ich dennoch daran, dass Menschen Fehler zugestanden werden müssen, denn nur so kann sich der Einzelne weiter entwickeln).
Danke für die Aufmerksamkeit
Sowohl aus diesem, wie auch dem Vorblogpost wird mir nicht klar, welche Argumente im Einzelnen genau für die Anzeige sprachen.
Ist da natürlich schwer sich eine Meinung zu bilden.
Am heutigen Freitag haben meine Fraktionskollegen Dirk Schatz und Nico Kern gemeinsam mit dem bekannten Rechtsanwalt Udo Vetter und dem schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Dudda Strafanzeige gegen den Finanzminister Walter-Borjans gestellt. […]
„Zwar lehne ich die Strafanzeige von Dirk Schatz und Nico Kern ab, aber trotzdem müssen wir uns selbst und der Öffentlichkeit immer wieder klar machen, wofür die Piraten stehen: Meinungsvielfalt!“
Also sollte Eure Motivation sein irgendwann einmal das eine oder andere zu ändern (bisher sieht man ja nicht den Ansatz einer konstruktiven bzw. gar professionellen Vorgehensweise) sollte ihr Euch mal zu dem einen oder anderen Thema mal als Partei verbindlich und weniger vielfältig und widersprüchlich positionieren und das dann auch glaubwürdig vertreten. Bisher gibt es ja nur zwei vorsichtige Positionierungen. Ich seid gegen Nichtraucherschutz und setzt Euch für Steuerhinterzieher ein. Die Gründe Euch nicht zu wählen nehmen täglich mit jeder inhaltlichen Aussage zu. Vermutlich einer der Hauptgründe warum ihr inhaltlich auch so wenig sagt.
Wenn die Piraten Schatz u.a. glauben, dass das erstatten von Strafanzeigen teil parlamentarischer Arbeit ist, sollte man das eigenen parlamentische Selbstverständnis noch einmal heftig überdenken.
Peinlich
Schön formuliert. Weniger schön formuliert liest sich das so: Die Piraten stehen für Beliebigkeit. Bei uns macht jeder was er will, und wir finden das toll.
Als ehemaliges ASTA-Mitglied während meiner Studentenzeit kommen mir die Verhaltensweisen der heutigen Piraten so vor wie damals die studentischen Gruppierungen, die mit unglaublicher Energie und Verve für ihre Sache eintraten, aber nach einer gewissen zeit in der Versenkung verschwanden, weil sich die Welt nicht innerhalb eines Jahres wegen ihrer Aktivitäten geändert hatte.
Zum Thema Steuer-CD:
Ich möchte gern einmal wissen, wie ein heutiger aktiver Pirat in folgender Situation reagiert, der befürwortet, dass die Steuer CDs nicht eingekauft werden:
Diesem Piraten werde per Straßenraub die Brieftasche entwendet und der Dieb konnte unerkannt entkommen. Ein Passant bietet gegen Entgeld an, wo er die Brieftasche gesehen habe: offen auf dem Beifahrersitz eines Cabrios. Nach Bezahlung des Entgeldes würde der Passant den Piraten begleiten zu dem Cabrio, damit der Pirat sich davon überzeugen könne, dass er das Entgeld nicht nur schnorre.
1. Würde dieser Pirat das Entgeld bezahlen und
2. Würde er seine Brieftasche aus dem Cabrio nehmen?
Problem: Was ist Eigentum und was ist Besitz? Ist die Entnahme der „eigenen“ Brieftasche aus dem Auto ein Diebstahl? Ist der Passant ein Hehler? Würde der Pirat sich selbst anzeigen, weil er die Information gekauft hat, wo seine geraubte Brieftasche zu finden ist? Die Steuergelder in der Schweiz sind Gelder, die mir als Steuern zahlender Staatsangehöriger gestohlen worden sind! Insofern ist mein Beispiel vergleichbar mit der Problematik des Kaufs dieser Seuer-CDs, allerdings im kleineren Maßstab…
Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich. Finderlohn/Belohnung ist gesetzlich verankert-das gilt auch für gestohlene Brieftaschen, die ein anderer aufgefunden hat.
Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Eines ist doch offensichtlich, unser Finanzminister stiftet indirekt zum Diebstahl an und das ist genauso strafbar wie die Hehlerei, wessen er sich durch den Ankauf schuldig macht. Es geht doch nicht darum, dass die Steuerhinterziehung als legal angesehen wird. Es geht um die Handhabung durch unseren Finanzminister und diese Handlungsweise ist gemäss der geltenden Strafprozeßordnung von den Justizbehörden zu verfolgen. Politiker stehen nicht über dem Gesetz und unsere Fraktion im Landtag sollte dazu stehen. Überzeugende politische Arbeit heißt doch nicht, zusehen wie gegen Gesetze verstoßen wird oder sich zu ducken um nicht anzuecken. Ich unterstütze die Anzeige daher voll und wünsche mir, dass dem Gesetz Genüge getan wird.
Richtig ist doch wohl immer noch, dass wir Piraten für Datensicherheit eintreten und dieses auch in eigenen Reihen sehr gut hochgehalten wird.
Da macht es keinen Unterschied, ob die Daten in Deutschland oder im Ausland anfallen.
Wirtschaftsspionage- dieses Delikt steht hier letztlich im Raum – wird in Deutschland, wie überall anderswo auf der Welt mit allen straf- und zivilrechtlichen Mitteln verfolgt. Der Ankauf von Datensätzen aus einem Wirtschaftsbetrieb, hier Bank, welcher durch illegale Handlungen(Verstoß gegen Datenschutz- und anderweitiger innerbetrieblicher wie juristischer Vorschriften) ermöglicht wird, gilt als Aufforderung zur Wirtschaftsspionage, selbst wenn diese im Ausland stattfindet. Und wenn der Wirtschaftsminister eines Landes zur weiteren Beschaffung(die er ja nun nicht selbst vornimmt) auffordert/ankündigt, muss dieses als Aufforderung zur Wirtschaftsspionage und Hehlerei gesehen werden. Aus diesem Aspekt heraus, zeichnet Herr Borjans zuvor genannter Delikte sehr wohl selbst und nicht nur symbolisch als Chef des FM verantwortlich.
Dirk und Nico haben hier als Politiker und verantwortungsbewusste Bürger Zivilcourage gezeigt. Nicht mehr und nicht weniger. Ja, sie haben auch gegen die Benimmregel, der vorhergehenden Information des Delinquenten, verstoßen. Das war es aber auch.
Der Aufschrei durch die Nation, dass gegen einen deutschen Finanzminister Strafanzeige erstattet wird, zeigt deutlich, dass hier heuchlerische Politik betrieben wird und im Parlament weiterhin das Prinzip gilt: “keine Krähe …“.
Die Problematik, welche zu dem Status Quo der Steuerhinterziehungen geführt hat, muss bekämpft werden. Da kommen dann Bankenaufsicht und Ausfuhrkontrollen einmal mehr ins Gespräch. Staatliche Kontrollen, mit denen viele Piraten so ihre Probleme haben, die allerdings mehr als notwendig und überfällig sind. Hier gilt es Verhinderungsmechanismen zu entwickeln, um Steuerehrlichkeit zu erzielen.
Rechtstaatlichkeit ist kein einseitiges Vergnügen, um sein Volk im Griff zu behalten. Auch der Staat, hier in Form von FM Borjans und seiner Behörde, hat sich an Recht und Gesetz zu halten. Ansonsten können wir alle Gesetze incl. GG abschaffen und die Staatsform dazu ändern. Wollen wir dahin kommen??
Darüber sollten die entsetzte Piratenschar samt Interessierter und ihr 20 in Düsseldorf einmal nachdenken.
Ps: Ich brauche keinen Nickname, da ich für das stehe, was ich tue.
Auch ich, wie wahrscheinlich die Mehrheit der rechtschaffenen Bürger, bin für die Nutzung von Steuer-CD’s zur Verfolgung von Steuerbetrügern, auch wenn die Herkunft nicht auf legalem Wege erfolgte.
Der Vorzug der Piraten ist neben Transparenz und Basisdemokratie eben auch die tatsächliche Meinungsfreiheit ohne den (für mich undemokratischen) Fraktionszwang der alten Parteien. Mit Einzelmeinungen, die von der Mehrheit abweichen, muss eine demokratische Partei fertig werden. Immerhin geben auch sehr abwegige Ansichten Anstöße, die eigene Position zu überdenken und ggf. zu korrigieren. Auch die Korrektur einer Meinung muss möglich und respektiert werden!
Meinungsvielfalt ist Pflicht. Aber einfach so mal eben hingehen und die Meinung der Piratenpartei für die Öffentlichkeit festzulegen?
Die ganze Aktion, wie mißlungen sie auch immer sein mag, war wichtig!
Wir brauchen in einem Rechtsstaat Rechtssicherheit!